Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 75

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Diese Deliktqualifikation der Gewerbsmäßigkeit ist sozusagen ein Hund, und zwar in Bezug auf folgendes Faktum: Kaum kommt die Gewerbsmäßigkeit dazu – und es kommt leider ein junger Mensch, aber auch ein Mensch fortgeschrittenen Alters relativ schnell in die Gefahr der Gewerbsmäßigkeit, auch wenn ihm als Täter nicht einmal bewusst ist, was ihm da droht –, ist der Sprung plötzlich ein riesiger, nämlich vom Strafrahmen her.

Ich rege an, dass wir in eine juristisch-politische Diskussion eintreten über die Frage: Was ist bei einem Jugendlichen „gewerbsmäßig“, und was ist bei einem Erwachsenen „gewerbsmäßig“, und was ist, verknüpft mit Hehlerei, tatsächlich „gewerbsmäßig“? Ich schlage vor, dass wir da ein abgestufteres Strafsystem finden, als wir es jetzt haben. Wir haben sozusagen ein Podest, dann kommt die Gewerbsmäßigkeit und schon „knallt“ es auf Jahre hinauf.

Ich kann da nur sagen, im Zusammenhang mit der Jugendgerichtsbarkeit: Die Ge­werbsmäßigkeit ist wirklich ein Übel. – Herr Kühnel, Sie brauchen jetzt keinen Zwi­schenruf zu machen, weil ich Ihnen schon im Ausschuss gesagt habe: Selbstverständ­lich ist jeder Mensch, der eine Tat begeht, ob er Ihnen oder mir das Handy stiehlt, ob er Ihnen oder mir eine CD aus dem Auto stiehlt, dafür verantwortlich und soll auch be­straft werden – oder ermahnt werden, wie es das Jugendgesetz auch noch ermöglicht. Das soll in einer abgestuften Form geschehen.

Aber bei manchen kommen sozusagen Karrieren durch ein Mitläufertum zustande. Es ist so, dass diese bis zu dem Moment, ab dem sie mitgelaufen sind, nie auffällig waren, und plötzlich wird durch das Mitläufertum und den Folgen daraus die Straftat mit einer Gewerbsmäßigkeit verknüpft. Manchmal bekommen dann Jugendliche im Gefängnis erst die Ausbildung zum Delinquenten.

Herr Bundesminister! Ich weiß, dass auch Ihnen das Sorgen macht. Es wird zum Bei­spiel in Wien und Umgebung die U-Haft geradezu epidemisch ausgesprochen, wäh­rend man in Salzburg, in Tirol oder in Vorarlberg da äußerst zurückhaltend agiert. Da­her darf ich Sie ersuchen, erstens die Praxis der allzu früh ausgesprochenen U-Haft zurückzudrängen und zweitens in eine Diskussion über die Frage einzutreten, ob man den Begriff der Gewerbsmäßigkeit nicht doch in eine ein bisschen abgestuftere Form bringen könnte.

In diesem Sinne, Herr Bundesminister, kann ich sagen: Es sind in diesen Gesetzen – einem stimmen wir auch gerne zu – zwar sehr viele positive Dinge erledigt, aber da wir am „end of the pipe“ sind, können wir hier nicht jedem Gesetz zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.27

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dr. Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.28

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Las­sen Sie mich aus dem vielfältigen Paket der justizpolitischen Reformvorhaben, das uns heute zur Beschlussfassung vorliegt, primär das Familien- und Erbrechts-Änderungs­gesetz 2004 herausgreifen.

Im Anschluss an ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das die bisher geltende gesetzliche Regelung des Rechts der Bestreitung der ehelichen Geburt partiell für ver­fassungswidrig erklärte, war dieses familienrechtliche Teilgebiet in verfassungsgemä­ßer Weise neu auszugestalten.

 


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