Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 77

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Der zu begrüßenden Beseitigung aller Befugnisse des Staatsanwaltes im Abstam­mungsrecht steht die gebotene Klarstellung der Aufgaben des Jugendwohlfahrtsträgers als Kollisionskurator, das heißt als Sachwalter bei widerstreitenden Interessen, gegen­über.

Auf dem Gebiet des Erbrechts ist die Reduktion des außergerichtlichen Zeugentesta­ments auf die Form eines Nottestaments in außergewöhnlichen Situationen, also nur noch im Notfall, bis maximal drei Monate nach Wegfall der Notlage, hervorzuheben, erwies sich doch das rein mündliche Testament in der Praxis als allzu konfliktträchtig und missbrauchsanfällig und führte daher in daraus resultierenden Rechtsstreitigkeiten zu vielfach nahezu unlösbaren Beweisproblemen.

Voll gelungen erscheint auch die Neuregelung des Zusammenhangs zwischen der Feststellung der Abstammung, also auch der Feststellung nach dem Tod des Vaters, und dem Erbrecht.

Weniger bin ich persönlich hingegen von der Notwendigkeit oder auch nur Erwünscht­heit der Beseitigung des gesetzlichen Erbrechts von Neffen und Nichten des Erblas­sers zugunsten des überlebenden Ehegatten überzeugt. Das deshalb, weil mangels eigener Kinder und vorverstorbener Geschwister die genannten Seitenverwandten die nächsten Angehörigen in der kognatischen Familie sind. Will man damit die Familien­bande und die Wahrung des Familienbesitzes bewusst noch weiter als bisher aushöh­len? – Mir ist auch bekannt, dass gewerbetreibende Unternehmer mangels eigener direkter Abkömmlinge ihren Betrieb vielfach ihren Neffen oder Nichten übertragen wol­len. Gewiss können sie das auch in Form testamentarischer Verfügung bewirken, frei­lich in steuerrechtlich nachteiliger Weise.

Demgegenüber war der Schutz des überlebenden Ehegatten bisher ohnehin schon ausreichend geschützt. Dazu verweise ich auf das gesetzliche Vorausvermächtnis in Bezug auf Ehewohnung und ehelichen Hausrat, auf das vorrangige gesetzliche Erbrecht und sogar Pflichtteilsrecht gegenüber anderen Familienmitgliedern, insbeson­dere der Seitenverwandtschaft. Aber alles in allem kann ich im Hinblick auf die Testier­freiheit auch mit dieser Neuregelung durchaus leben.

Zu einer weiteren Gesetzesform will ich mich ganz kurz fassen. Die Novelle zum Bun­desgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäi­schen Rechtsanwälten in Österreich legt fest, bei welchem Oberlandesgericht Rechts­anwälte der Beitrittsländer, die in Österreich tätig werden wollen, eventuelle Zusatzprü­fungen abzulegen haben und wie ihre Bezeichnung in ihrer eigenen Sprache zu lauten hat.

Das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Unter­suchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden, stellt eine Notmaßnahme dar, wie sie schon 1992 und 1993 angewendet wurde. Untersuchungshäftlinge und die zu kur­zen Freiheitsstrafen Verurteilten können auch bis dahin in Strafvollzugsanstalten an­gehalten werden. – Herr Kollege Schennach hat dazu schon vieles ausgeführt.

Im Bereich der Neugestaltung der Gerichtsbarkeit sollen die Organisation der Bezirks­gerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 novelliert wer­den. Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen, das Bezirksgericht für Strafsachen und das Jugendgericht Graz sollen im Jahr 2005 zusammengelegt und im Jahr 2006 in zwei Vollbezirksgerichte geteilt werden. Das wird einerseits der Gerichtsorganisation in Wien und in Linz entsprechen, andererseits die räumlichen Verhältnisse der bestehen­den Gerichte und die verkehrsmäßige Zugänglichkeit verbessern. An der Spezifik der Jugendgerichtsbarkeit soll und wird sich nichts ändern, weil ausgebildete Jugendrichter diese Materie weiter betreuen werden, wie das auch im Gerichtsorganisationsgesetz festgelegt ist.

 


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