Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 131

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Und dann gibt es noch eine andere Liste, nämlich eine mit 138 Aussagen aus den letz­ten 20 Monaten, die von Mitgliedern der Regierungskoalition getroffen wurden. Es sind lauter unterschiedliche Aussagen, jeden Tag, jede Woche wird eine andere gemacht. So hat Kanzler Schüssel einen Brief an die ÖVP-Funktionäre geschickt – Herr Dr. Böhm, Sie haben ja gesagt, dass jene, die das Anti-Temelίn-Volksbegehren nicht unterstützt haben, verantwortungslos gewesen sind –, in dem er schreibt: Wer unter­schreibt, gefährdet die Anti-Atompolitik und handelt grob fahrlässig. Zudem spielt das FP-Volksbegehren der Opposition in die Hände. – Zitat Dr. Wolfgang Schüssel.

Herr Dr. Böhm! Das ist Ihr Regierungspartner, daher sehen Sie es jetzt natürlich ein wenig anders. (Bundesrat Dr. Böhm: War das Ihr Argument damals?) Sie haben vor­hin die SPÖ-Fraktion angegriffen, weil die SPÖ dieses Volksbegehren nicht unterstützt hat. (Bundesrätin Roth-Halvax: Dafür eine Empfehlung des Bundeskanzlers! – Bun­desrat Konecny: Na immer, Frau Kollegin, immer!)

Es ist für Mitglieder des Bundesrates auch sehr wichtig, die Beschlüsse des oberöster­reichischen Landtages zu kennen, denn der oberösterreichische Landtag – die ÖVP-Fraktion, die SPÖ-Fraktion und die Fraktion der Grünen – hat am 5. Juni 2003 be­schlossen, dass die Landesregierung an die Bundesregierung herantreten und diese auffordern soll, als unmittelbare Konsequenz aus dem alarmierenden ExpertInnenbe­richt über die Nachrüstmaßnahmen in Temelίn konkrete Stilllegungsinitiativen für das AKW Temelίn rasch umzusetzen und dabei vor allem direkte bilaterale Ausstiegsver­handlungen raschest zu starten. – Diesen Landtagsbeschluss kennt wahrscheinlich jeder Oberösterreicher/jede Oberösterreicherin im Bundesrat.

Geschätzte Damen und Herren! Aufforderungen der oberösterreichischen Landesre­gierung an die Bundesregierung werden nicht gehört in dieser Bundesregierung. Man wartet lieber wieder auf einen Störfall, bis diese Angelegenheit wieder thematisiert wird, und dann wird man wieder darüber reden.

Temelίn ist eine lange Geschichte des Misserfolgs des Verhandlungsgeschicks unserer Bundesregierung. (Bundesrat Dr. Böhm: Meinen Sie Vranitzky und Klima?) – Dieser Bundesregierung, habe ich gemeint, der jetzigen Bundesregierung! – Ich habe Ihnen vorhin die Aussagen zitiert, die von den Parteien gemacht wurden, und mir diesbezüg­lich auch eine Statistik gemacht: Siebenmal pro Monat wurden von den Parteien der Bundesregierung differierende Aussagen zum Thema Temelίn getätigt! Das heißt, dass diese Bundesregierung auch ein ständiger Störfall ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Dr. Böhm: Dann nehmen Sie Störfälle aber überhaupt nicht ernst! – Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie eifern offensichtlich Ihren Parteikollegen im Nationalrat nach! – Ruf bei der ÖVP: „Abrüstung der Worte“ hat die Frau Präsidentin gesagt!)

Geschätzte Damen und Herren! Es ist nicht zu erwarten, dass die Serie der Temelίn-Störfälle in naher Zukunft abreißen wird. Die einzige vernünftige Option heißt: Abschal­ten für immer. Die Verhandlungen sollten jetzt aufgenommen werden. Es ist höchste Zeit für echte Ausstiegsverhandlungen mit Tschechien. Der derzeitige Weg der bloßen Informationspolitik über Schäden hat sich als unzureichend erwiesen. Im Interesse der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung muss der Ausstieg durchgesetzt werden. Die Verharmlosung der zahllosen bisherigen Störfälle, von denen ich einige erwähnt habe, und ein konsequenzloses Lamentieren sind zu wenig.

Es darf nicht zu einer Katastrophe, zum so genannten Super-GAU kommen, und es darf auch nicht gewartet werden, bis er kommt. Ständige Risse und Brüche in be­triebswesentlichen Anlagen sind sehr ernst zu nehmen. Es haben im grenznahen Be­reich die Bewohnerinnen und Bewohner berechtigte Angst vor dieser Anlage.

 


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