Bundesrat Stenographisches Protokoll 711. Sitzung / Seite 56

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11.35

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat heute Kollege Bieringer – jetzt ist er nicht da – versucht, hier ein wirtschaftliches Erfolgsszenarium der kurzen Entwicklungsgeschichte dieser Bundesregierung zu zeichnen. Ich weiß nicht, woher er dieses Zahlenmaterial hat, für mich verbindlich sind die Zahlen der öffentlich-rechtlichen Interessenvertretung, die die diesbezüglichen Auf­zeichnungen sehr penibel führt. Da schauen die Zahlen ganz anders aus.

Ich glaube, man muss das in einem etwas größeren Zusammenhang sehen. Ich gehe jetzt ganz bewusst nicht auf die Zahlen ein, die in den letzten Wochen veröffentlicht wurden, denn nach diesen sind wir ja bekanntlich im EU-Raum – da wurden acht Län­der ausgewertet – an vorletzter Stelle gelandet, was das Wirtschaftswachstum betrifft. Ich gestehe aber zu, dass einige wenige Monate durchaus als Momentaufnahme bezeichnet werden können.

Schauen wir uns aber den Zeitraum von 2000 bis 2004 an, eine offizielle Statistik der Wirtschaftskammer Österreich – vielleicht kann es Kollege Bieringer dann im Protokoll nachlesen –: ein Beschäftigten-Minus in diesem Land von 10 826 Arbeitnehmern. Das Interessante daran ist, dass wir bei den Flaggschiffen in dieser Republik, nämlich den großen Industriebetrieben mit 1 000 Mitarbeitern und mehr, die ganz großen Einbrüche erleben. Dort sind 42 097 Arbeitsplätze verloren gegangen!

Das ist sehr schlimm, denn diese Flaggschiffe, diese Leitbetriebe ziehen natürlich unglaublich viel hintennach, geben vielen Menschen rundherum, in kleineren Unterneh­mungen Beschäftigung. Und diese kleineren Unternehmungen werden von dieser Bundesregierung – das sei jetzt gleich an unser neues Regierungsmitglied, den Infra­struktur-Staatssekretär, gerichtet, der aus meiner Sicht sehr viel für die Wirtschaft ein­zubringen hat – eigentlich doppelt gestraft. Die haben den Beschäftigtenstand nicht nur gehalten – ich rede jetzt von Betrieben mit bis zu 99 Mitarbeitern –, sondern sie beschäftigten in diesem Vergleichszeitraum immerhin um 3 406 Mitarbeiter mehr.

Dass in diesem Bereich die Bedingungen sehr schlecht geworden sind, ist offensicht­lich; ich sage nur das Stichwort Entgeltfortzahlungsfonds. – Wenn ein großer Konzern mit Tausenden Mitarbeitern plötzlich auf Grund einer lokalen Krankheitsepidemie nur mehr die Hälfte an Mitarbeitern im Werk hätte, es wäre ein nationaler Notstand, und – ich glaube, Dr. Kühnel wird mir da sogar Recht geben – man würde auf das Bundes­heer zurückgreifen und dort Hochöfen besetzen und so weiter. Wenn aber der kleine Malereibetrieb mit drei Mitarbeitern zwei Mitarbeiter nicht im Haus hat, dann wird es dort dramatisch. Dann hat der Unternehmer nämlich die Löhne für zwei Arbeitnehmer selbst zu berappen. Also diese Regelung war wirklich ein Tiefschlag für die vielen klei­nen Unternehmen, die in diesem Land Beschäftigung sichern und uns Wirtschaftskraft geben.

Mich wundert es eigentlich nicht – diese Zahl ist relativ neu –, dass die Eigenkapital­decke weiter dünner wird. Da schaue ich ganz besonders Kollegen Ager an, der ja aus einer besonders krisengeschüttelten Branche kommt, was das betrifft, nämlich aus der Tourismusbranche. 32,2 Prozent der Betriebe haben weniger als 10 Prozent Eigen­kapital! Kollege Ager könnte hier als Vertreter der Tourismusbranche sicherlich noch mehr dazu sagen, denn ich glaube, in deiner Branche schaut das noch viel schlimmer aus. In diesem Bereich würden wir Unterstützung brauchen, aber das wird von dieser Bundesregierung sträflich vernachlässigt. (Bundesrat Ager: Sie können sich für einen Staatssekretär für Tourismus einsetzen!) Dieses Amt ist ja zeitweilig von der FPÖ besetzt gewesen – wir haben ja hier die Erfolgsgeschichte auf dem Tisch liegen.

 


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