Bundesrat Stenographisches Protokoll 711. Sitzung / Seite 57

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Aber jetzt komme ich noch zu einem Punkt, der, wenn ich von einer Erfolgsgeschichte dieser Bundesregierung sprechen will, eine ganz wesentliche Dynamik hat: die Aus­höhlung der Gemeindekassen. Wer ist denn eigentlich der Impulsgeber für die Wirt­schaft? – Das sind die regionalen Gemeinden, das sind die Orte, die Städte!

Ich nehme jetzt einmal ganz bewusst nicht unsere Landeshauptstadt Linz her – das nimmt uns Kollege Bader immer so übel –, sondern bleiben wir einmal in einer Be­zirkshauptstadt: Nehmen wir die oberösterreichische Bezirkshauptstadt Wels her. Das ist eine Bezirkshauptstadt mit etwa 56 000 Einwohnern. Was passiert dort auf Grund von Maßnahmen dieser Bundesregierung? – Denen werden heuer durch die Steuerre­form 3,3 Millionen € abhanden kommen. Und es spielt eigentlich keine Rolle, ob dort ein sozialdemokratischer oder ein ÖVP-Bürgermeister an der Spitze steht, es würden sich alle sehr „bedanken“, dass ihnen diese 3,3 Millionen € in diesem Jahr abhanden kommen.

Wenn ich das umrechne, dann kommt heraus, dass der Stadt Wels jetzt 60 € pro Gemeindebürger fehlen. So schaut es aus! Das sind die Verhältnisse, das sind die Bedingungen, unter denen hier gearbeitet werden muss.

Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, das mit auf den Weg zu nehmen. Sie nehmen ja schon an den Sitzungen des Ministerrates teil, bitte tragen Sie das hinein! Hier sitzen viele Bürgermeister, und ich weiß, ein Teil davon nimmt das kommentarlos aus einer gewissen Parteiraison heraus zur Kenntnis. Ich bitte Sie wirklich, diese Frage in den Ministerrat hineinzutragen. Sie waren, glaube ich, auch einmal in der Kommunalpolitik tätig, so wie viele hier herinnen. Wir rechnen also hier mit Ihrer Unterstützung.

Ich komme nun zu einem abschließenden Punkt. Es fehlt uns heute die Frau Justizmi­nisterin. Ich will jetzt gar nicht auf diesen „Fun-Faktor“ eingehen, auf den sich hier ein Landeshauptmann aus einem südlichen Bundesland mit seinen Wortspenden einlässt. Herr Professor Böhm! Was mich wirklich erschüttert hat, war eigentlich Ihr Parteifreund und Volksanwalt Stadler im gestrigen „Morgenjournal“. Er hat dort im Originalton er­klärt, der politische Kurs, auf den er jetzt seine Partei bringen will, die immerhin Regie­rungspartei ist, schaut so aus, dass er das Zerreiben der anderen politischen konserva­tiven Partei anstrebt. Er hat als Vorbild die Democrazia Cristiana, der es auch so ergangen ist, wie er sich das für die Österreichische Volkspartei wünscht.

Wenn jemand sagt, er wolle eine politische Gruppierung zerreiben, meine Damen und Herren, dann ist das eine Stalingrad-Diktion, die wir uns in diesem Haus verbitten soll­ten. Wenn Herr Mag. Stadler nicht den Anstand hat, in seiner Partei die entsprechen­den Worte zu wählen, dann ist das, so glaube ich, nicht einfach so hinzunehmen. Herr Professor Böhm, Sie sind Verfassungsrechtler: Die Volksanwaltschaft ist ein Organ dieses Hauses, und ich glaube, wir haben es nicht notwendig, so einen Ton zu akzep­tieren. Wenn die ÖVP das hinnehmen muss, dann ist das ihre Sache. Wir, meine Damen und Herren, sind jedenfalls nicht bereit, das zu akzeptieren. – Mag. Stadler beruft sich da auf ungefähr 20 000 Wähler. Wenn ich nachrechne, dann sind das rund 3 Promille der 6 Millionen EU-Wahlberechtigten. Er meint damit, glaube ich, jene, die Herrn Mölzer eine Vorzugsstimme gegeben haben.

Meine Damen und Herren! Diesen Ton verbitten wir uns, und wir erwarten uns, dass der Präsident des Parlaments, aber auch unsere Präsidentin ganz energisch gegen diesen Niedergang in der Wortwahl protestieren. (Bundesrat Ager: ... Broukal! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An die Frau Justizministerin noch ein Ersuchen. Sie wissen, dass eine Reihe von neuen Formen in der Rechtsprechung Platz greift. Ich denke hier an das neue Nach­barschaftsrecht, wodurch jetzt noch ein ganzer Berufsstand aktiv werden kann, nämlich die Notare; viele Dinge werden vom streitigen Verfahren in ein quasi außerstreitiges


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