Bundesrat Stenographisches Protokoll 711. Sitzung / Seite 63

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

ausgetauscht und man betreibt Kosmetik nach fünf Wahlniederlagen. Also der eigent­liche Zweck dieser Regierungsumbildung ist, den Schein zu wahren, man erneuere sich, man habe den Spruch des Wählers verstanden und man schicke nun Bessere in die Regierung oder man korrigiere seine Politik.

Nichts von dem ist angekündigt, nichts von dem ist auch zu erwarten! Wir können uns vielleicht irgendwann eines Besseren belehren lassen, aber an Wunder zu glauben, habe ich schon lange aufgehört.

Es gibt also eine Regierungsumbildung, die wir erdulden müssen, mit der die FPÖ ver­sucht, ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu reparieren. Das ist auch der Grund, warum sich der zweite Regierungspartner sehr, sehr schwer tut, diese Umbildung auch nur irgendwie zu begründen oder ihr etwas Gutes abzugewinnen.

Sie werden Ihre Glaubwürdigkeit nach wie vor nicht verbessern, denn Sie sind klarer­weise – und das sollte die ÖVP nicht vergessen – gefangen, und zwar gefangen in zwei Gruppierungen. Das ist mit den Aussagen des Herrn Stadler manifest geworden. Die deutschnationale Knittelfelder Seite – oder wie auch immer dieser Flügel heißt – darf nicht zu laut werden, denn sonst würde man europaweit diskreditiert werden und die ÖVP hätte noch ein größeres Problem mit dem „lieben“ kleinen Regierungspartner.

Die zweite Gruppe, bei der man die Glaubwürdigkeit permanent verliert, sind die so genannten kleinen Leute, die irgendwann einmal von der SPÖ, als diese sich bei ihrer Regierungsverantwortung zu sehr in Widersprüche in ihrer Politik verwickelt hat, zur FPÖ gewandert sind. Die Stimmen dieser so genannten kleinen Leute verlieren Sie auch laufend.

Das Problem ist: Sie sind gebunden, angekettet an die Regierungsverantwortung, und die ÖVP braucht Sie, weil Sie natürlich der bequemere Partner sind. Sie sind als FPÖ der bequeme Partner, der beim Vollzug einer meiner Meinung nach verwerflichen Poli­tik, bei der man sich unverblümt auf christliche oder soziale Moralbegriffe bezieht, den Steigbügel hält.

Dafür kann ich den Beweis antreten: Bei der breiten Bevölkerung wird permanent der Sparstift angesetzt, die Armutsraten steigen – ich beziehe mich dabei auf Ergebnisse der Österreichischen Armutskonferenz – die Pensionen werden gekürzt – aber die FPÖ macht trotz allem den Steigbügelhalter für diese Politik.

Da können Sie noch so sehr ablenken, aus diesem Widerspruch werden Sie nicht her­auskommen! Sie werden ein Problem haben: Die ÖVP wird dann nie dabei gewesen sein. – Die eine Partei hat einen Obmann, der sagt: Ich bin schon weg! (Bundesrat Dr. Böhm: Der Haupt ist noch da!), und die ÖVP, die größere Regierungspartei, ist nie dabei gewesen – auch bei der massiven Umverteilungspolitik nicht.

Weil heute der Fraktionssprecher der ÖVP vom „Augenmaß für die Wirtschaft“ gespro­chen hat, darf ich sagen: Das Augenmaß verliert man, wenn man sich einmal die Namensliste der hundert reichsten Österreicher – diese Woche erschienen – anschaut. Es gibt vermutlich kaum ein Land, in welchem so direkt und so offensichtlich die Reichsten ihre Politik in der Regierung vollziehen und selbst in der Regierung sitzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Selbst in den USA, dem großkapitalistischen Land ... (Bundesrat Dr. Böhm: Androsch ist nicht in der Regierung! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich komme noch dazu, werden Sie nicht ungeduldig! – In den USA, im Paradeland des Privatkapitalismus, bedienen sich die reichsten Handlanger und Lobbyisten und zahlen sich Ihre Regierungsmitglieder – wohlgemerkt: immer veröffentlicht.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite