Bundesrat Stenographisches Protokoll 711. Sitzung / Seite 64

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Einige Herrn verlieren das Augenmaß derartig, dass sie zum selben Zeitpunkt, zu dem sie unter den hundert reichsten Österreichern genannt werden, wie etwa der Herr Bar­tenstein, der Herr Mitterbauer, der Herr Prinzhorn, um nur drei zu nennen ... (Bundes­rat Weilharter: Setzen Sie fort: Androsch, Haselsteiner! – Ruf bei der ÖVP: Seit wann ist der Herr Mitterbauer in der Regierung?) Diese Herren verlieren das Augenmaß in demselben Augenblick, in dem veröffentlicht wird, dass allein die hundert reichsten Österreicher im Jahre 2003 einen – sehr milde geschätzten; ich zitiere „trend“ – Ver­mögenszuwachs von 2 200 Millionen € im Jahr erzielt haben. Eine Finanzagentur, die Merrill Lynch, schätzt das Doppelte: also 4 400 Millionen € Vermögenszuwachs im Jah­re 2003 – in jenem Jahr, in welchem Sie die Vermögenssteuersenkung, Körperschaft­steuersenkung konzipiert haben!

Das Augenmaß wird verloren von diesen Herren ... (Bundesrätin Giesinger: Wo hat er es verloren?) Indem er im selben Augenblick begründet, die Wirtschaft sei so danieder­liegend, dass die Arbeitnehmer einen Lohnverzicht, eine Lohnkürzung hinnehmen müssten. Das will man den Arbeitnehmern einreden! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger.) Das sagt man aber nicht deutlich, weil man weiß, was entste­hen würde – nämlich ein Volksaufstand darüber, dass diese Leute die Taschen nicht voll bekommen können, während sie von den Arbeitnehmern eine Arbeitszeitverlänge­rung verlangen.

Das ist eine Scheinheiligkeit sondergleichen! Es ist nichts anderes als eine Lohnkür­zung, wenn man heute eine Arbeitszeitverlängerung verlangt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Herren von der FPÖ! Genau darum braucht Sie die ÖVP – um diese Tatsachen zu verschleiern! Sie werden von der ÖVP benutzt, um diese Tatsachen zu verschlei­ern – und da können Sie die Regierung umbilden, so viel Sie wollen! (Bundesrat Weil­harter: Sie haben keine gute Meinung über Schröder!)

Wer heute Lohnkürzungen verlangen würde, der würde sehr rasch von allen verant­wortlichen Ämtern verjagt, und insofern sucht man nach anderen Begriffen, weil sich das die Bevölkerung natürlich nicht gefallen lassen würde.

Die Umverteilung geht weiter. Gestern hat es einen Protest der Postbus- und Bahn­busbeschäftigten gegeben. Der Widerstand formiert sich auch in Unternehmerkreisen. In Oberösterreich haben sich ein Dutzend Kleinunternehmer zusammengefunden, die sich gegen diese Privatisierung, gegen diesen Ausverkauf wehren, der nichts anderes bewirkt, als dass sich die drei größten Busunternehmer Österreichs, Privatunterneh­mer, die fetten Happen holen werden und der öffentliche Verkehr die defizitären Linien wird abdecken müssen. Dann sagt man wieder, der Staat könne nicht wirtschaften, und glaubt, den Leuten einreden zu können, es sei eine Privatisierung notwendig, obwohl Postbus und Bahnbus schwarze Zahlen schreiben.

Noch dickere und fettere Gewinnzahlen schreibt die Telekom, die ganz still und leise privatisiert worden ist, wo die nächsten Schritte eingeleitet wurden. Für Sie, meine Her­ren von der FPÖ, die sehr national orientiert sind, nur ein paar Fakten, geschildert von den Beschäftigten der Telekom, was allein die österreichische Wirtschaft durch den Verkauf der Aktien an die Italienische Telekom verloren hat: Sofort wurden die Aufträge bei der Computerausstattung der Firma Olivetti zugeschanzt. Sofort wurde Druck aus­geübt, den größten Fuhrpark, den man in Österreich hatte, den die Post damals hatte, auf Fiat umzustellen. Für die Münzautomaten in Telefonhäusern wurden italienische Firmen beauftragt. Die Beschäftigten der Telekom erzählen, dass viele davon bis heute nicht funktionieren. Was die Bevölkerung Österreichs an Vermögen verloren hat da­durch, dass sich die italienischen Eigentümer wieder aus dem Staub machten, das muss erst ausgerechnet werden. Es finden sich leider keine Medien, die diese Tatsa-


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