Bundesrat Stenographisches Protokoll 712. Sitzung / Seite 62

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95 Prozent der Versicherten werden im Regen stehen gelassen, weil es keine derartige Finanzierungsmöglichkeit gibt, und eine Vorsorge für die Zukunft wurde hiemit natürlich auch nicht getroffen. Besonders bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass die Regie­rungsparteien bei der Krankenversicherung der Bauern offensichtlich kein Prob­lem damit haben, die Beitragsgrundlagen zu verbreitern und den Beitragssatz von 5,9 auf 6,8 Prozent anzuheben. In der Diskussion um die Gebietskrankenkassen hingegen werden sämtliche Denkansätze in diese Richtung immer reflexartig abgelehnt und quasi als sozialistische Steinzeitmethoden verteufelt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die haben schon einen höheren Prozentsatz!) In der Diskussion pro futuro!

Auch hieran ist deutlich zu sehen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird: Im Gegen­zug gibt es eine Senkung der Mindestbeitragsgrundlage. Und wem kommt die zugute? Dem kleinen Bauern, sehr geehrte Damen und Herren, bestimmt nicht! Sie stellt nur eine Verbesserung für die Großbauern dar, die bei ihrer Einkommensteuererklärung alles absetzen, dadurch kein oder nur ein geringes versteuerbares Einkommen auf­weisen und daher künftig noch geringere Sozialversicherungsbeiträge werden zahlen müssen.

Der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch ein Detail am Rande erwähnen, ein­fach weil daran deutlich wird, wie immer wieder wichtige Gesetze beschlossen werden, ohne auf Details und gerechtfertigte sachliche Kritik einzugehen. In der Debatte um die Hinterbliebenenpension – Sie erinnern sich sicher, die ist jetzt ungefähr einen Monat her – habe nicht nur ich hier im Bundesrat darauf hingewiesen, dass es den Hinter­bliebenen unmöglich sein wird, alle Beitragsnachweise in der geforderten Form beizu­bringen. Natürlich hat es darauf keine Reaktion gegeben. Jetzt wird das erfreulicher­weise geändert. Man hätte das allerdings gleich in das diesbezügliche Gesetz einfließen lassen können. – Ich stelle fest: Sachliche Argumentation wird nicht zur Kenntnis genommen. Die Folge davon ist ein ewiges Reparieren gerade erst erlas­sener Gesetze.

Ein Wort noch zum Ausgleichsfonds: Auch bei dieser Lösung wird wieder nur Ver­gangenheitsbewältigung betrieben. Die Finanzprobleme der Krankenkassen wer­den mit dieser Vereinbarung sicherlich nicht gelöst werden können. Bereits im Jahre 2006 wird österreichweit ein Minus von 660 Millionen € entstehen. Darauf wird einfach nicht reagiert, und das ist meiner Meinung nach fahrlässig. Zudem hat das Ministerium nur mit den liquiden Kassen über die Rückführung der Darlehen zur Aufbesserung von deren Rücklagen verhandelt. Mit den Kassen mit negativen Rücklagen und großen Liquiditätsschwierigkeiten, die ja auch davon betroffen sind, wurde nicht gesprochen.

Also: Durch den vorliegenden Schnellschuss wird zwar die Rückabwicklung der verfassungswidrigen Darlehen der Vergangenheit geregelt, aber es erfolgt nicht die nach dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis notwendige Neuregelung des Ausgleichs­fonds für die Zukunft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde das wirklich bedauerlich: Alle größeren Reformen der ÖVP/FPÖ-Koalition in der Gesundheitspolitik endeten bisher im Chaos – die Ambulanzgebühr wurde aufgehoben; die Reform des Hauptverbandes wurde auf­gehoben; die Kassensanierung wurde aufgehoben. Und ich kann von Seiten der SPÖ nur hoffen, dass dieses Schicksal auch diese Koalition einmal ereilen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.24

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


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