Bundesrat Stenographisches Protokoll 714. Sitzung / Seite 87

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National- und Bundesrat und der Verfassungsgerichtshof ausmachen sollen; was ich anzuwenden habe, steht im Gesetz, in der Verordnung oder im Erlass. – Und das ist in höchstem Maße unbefriedigend, weil Menschenrechte unmittelbar anwendbar sein sollten.

Wir filtern daher Jahr für Jahr – jetzt das dritte Mal – diese Menschenrechtsfälle aus den Beschwerdefällen heraus und legen sie gesondert vor, mit der Absicht, dass im ersten, zweiten oder vielleicht auch noch im dritten Jahr die Auswahl von Menschen­rechtsfällen eher zufällig sein mag. Wenn Sie diese Berichte aber über mehrere Jahre übereinander legen, dann haben Sie ein relativ genaues Menschenrechts-Screening der österreichischen Verwaltung, und darüber hätten wir gerne mit Ihnen geredet.

Die Justizangelegenheiten sind angesprochen worden. Ich denke, dass sowohl die Amts­beschwerde als auch die Fristsetzungsbeantragung sinnvolle Möglichkeiten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie nach viereinhalb Jahren der Nicht­entscheidung eines Gerichtes in einer Besuchsrechtsangelegenheit in einer gericht­lichen Niederschrift die Bemerkung finden, dass nicht einmal das Gericht weiß, was zu tun ist, und Sie dann zum Telefon greifen und den Gerichtsvorsteher in einem Bezirksgericht anrufen, dann ist es wirklich erschütternd, wenn dieser daraufhin sagt: Ich weiß, das ist eine tragische Geschichte, aber wir haben den Richter nur mehr drei oder vier Jahre.

Aus Erfahrungen wie diesen und auch anderen sage ich Ihnen, dass die Selbst­reinigungskraft des Justizsystems gegenüber solchen Fehlleistungen offensichtlich nicht ausreicht.

Ich sage noch einmal dazu: Das ist nicht System, sondern es gibt einige Einzelfälle, und – in diesem Zusammenhang durchaus bestätigend, was gesagt worden ist – die Volksanwaltschaft hat natürlich die Aufgabe, sich mit den „Montagsprodukten“ der österreichischen Verwaltung zu beschäftigen. Sie hat die Aufgabe, sich mit den beispielsweise 6,5 Millionen Bescheiden, die vom Hauptverband der Sozialversiche­rungsträger Jahr für Jahr erteilt werden, auseinander zu setzen, und das schlägt sich – diese Aussage ist durchaus symptomatisch – in jährlich rund 2 600 Beschwerden an die Volksanwaltschaft nieder.

Diese 2 600 sind signifikant, und es sollte, glaube ich, auch dieses Haus interessieren, dass die Zusammenlegung von PVArb und PVAng, für die es sicherlich gute Gründe gegeben hat, zu einer Verlängerung der Bearbeitungsdauer von dreieinhalb auf sechs­einhalb Monate geführt hat. – Das ist schlicht und einfach inakzeptabel, weil ver­sprochen und der eigentliche Sinn genau das Gegenteil war!

Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang berichten, dass es zwar leichte Anzeichen für eine Entspannung gibt, dass wir aber bei der Bearbeitungsdauer dort angelangt sind, wo wir vor der Zusammenlegung waren, davon kann noch lange keine Rede sein. Daher fordern wir hier mit Nachdruck entsprechende Maßnahmen.

Die Zahl der Fälle bei der Volksanwaltschaft steigt weiter. Ich darf Ihnen berichten, dass nach den knapp 16 000 Fällen im vorangegangenen Jahr im Bericht über dieses Jahr wahrscheinlich von 17 000 Beschwerden die Rede sein wird. Es stimmt auch – was Herr Kollege Weiss gesagt hat –, dass ein relativ großer Prozentsatz, nämlich rund ein Drittel, Unzuständigkeiten betrifft.

Mich macht das weder verzweifelt noch konsterniert. Es ist Aufgabe der Volks­anwaltschaft, jener Ansprechpartner im Bereich der öffentlichen Hand zu sein, der für den Bürger da ist und zur Verfügung steht. Wenn eine alte Dame zum Sprechtag kommt und sagt: Ich hätte gerne mein Haus meiner Nichte hinterlassen – reicht es, wenn ich das meiner Nichte sage?, dann wäre es doch unverantwortlich, obwohl das


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