Bundesrat Stenographisches Protokoll 714. Sitzung / Seite 106

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Das Ziel, die Anwendung der Gentechnik zum Wohle des Menschen zu fördern, wider­spricht jedenfalls den Wünschen eines Großteils der österreichischen Bevölkerung. Wir haben es schon gehört: Ungefähr 90 Prozent sprechen sich gegen Gentechnik in der Landwirtschaft aus.

Warum scheint unter den Zielen des Gentechnikgesetzes nicht die Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft auf? Es ist doch einfach nicht möglich, dass, wenn es auf der einen Seite GVO-verändertes Saatgut und auf der anderen Seite Bio-Landbau gibt, nichts ausgetauscht wird. Es gibt Bienen, es gibt Pollen, und die kennen keine Ackergrenzen, die kennen keine Landesgrenzen, und die kennen wahrscheinlich auch nicht die Grenze zwischen Waldviertel und Weinviertel, wo sie nicht drüber dürfen, um Pflanzengene weiterzuverbreiten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein. Aber dafür sind wir leider politisch nicht zuständig.

Es würde viel mehr den Wünschen der Bevölkerung entsprechen, wenn wir ein Gen­technikgesetz machen, in dem als Ziel formuliert ist, dass wir die Gentechnikfreiheit unserer Landwirtschaft sichern.

Es ist nicht nur das Ziel des Gesetzes falsch, sondern auch die Umsetzung, denn dieses Gentechnikgesetz sichert eben nicht die Existenz einer gentechnikfreien Land­wirtschaft. Die Koexistenz ist ein Schlagwort, aber nicht wirklich umsetzbar. Es ist auch nicht beschrieben, wie das funktionieren soll. Die Haftungsbestimmungen sind nicht ausreichend. Wenn ich mir ein Auto kaufe, brauche ich eine Haftpflichtversicherung, wenn ich gentechnisch veränderte Pflanzen anbaue, brauche ich keine Haftpflicht­versicherung; mein Nachbar kann mich zwar klagen, aber vielleicht habe ich dann kein Geld, um seine Schäden zu bezahlen.

Es ist auch die Beweislastumkehr für den Nachweis der Beeinträchtigung nicht gegeben. Wenn also der Nachbar glaubt, ich hätte mit meinem gentechnisch verän­derten Saatgut sein Saatgut verändert, dann kann er im Prinzip nichts dagegen tun. Die Beweislastumkehr ist jedenfalls nicht gegeben. Auch die Strafbestimmungen sind unzureichend. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist unzureichend geregelt. Die Behörde muss zwar die Genehmigung auf ihrer Internet-Homepage veröffentlichen, aber es steht nicht im Gesetz, welche Informationen das sein müssen, und es steht auch nicht im Gesetz, wann diese Informationen zu veröffentlichen sind.

Es gibt noch viele weitere Kritikpunkte. Kurz gesagt: Dieses Gentechnikgesetz ist nicht geeignet, eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Österreich zu sichern.

In vielen Bereichen der Gentechnik sehe ich eine gewisse Ähnlichkeit mit der Debatte, die vor 25 Jahren über die friedliche Nutzung der Kernenergie geführt wurde. Damals war es auch nur die „friedliche Nutzung“, und damals haben auch sehr viele – vor allem Herren – behauptet, es gäbe da überhaupt keine Gefahr und es könne ohnedies gar nichts passieren. Die Bevölkerung haben diese Herren nicht überzeugt, und zum Glück ist damals – mit einer relativ knappen Mehrheit, aber doch – gegen Atomkraft in Österreich abgestimmt worden. – Jetzt ist es so, dass noch viel mehr Menschen gegen Gentechnik in der Landwirtschaft in Österreich auftreten als damals gegen die Atom­kraft. Das Gentechnikgesetz entspricht aber den Wünschen der Bevölkerung nicht.

Spätestens als das Atomkraftwerk in Tschernobyl in die Luft gegangen ist, sind dieje­nigen, die uns versprochen haben, dass von der Atomkraft keine Gefahr ausgeht, Lügen gestraft worden.

Es ist traurig, dass heute auch in Österreich nach wie vor einige – so etwa der Bauernbund-Obmann der niederösterreichischen ÖVP, Herr Franz Grandl – behaup­ten, Gentechnik bringe nicht nur Gefahren mit sich, sie biete auch Chancen für die Zukunft. Diese Menschen behaupten, dass die Gefahren, die die Gentechnik in der


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