Bundesrat Stenographisches Protokoll 714. Sitzung / Seite 118

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1999 hatten wir – auch das ist zu viel – 493 000 kriminelle Delikte. Im Jahr 2003 hatten wir 643 000. Wenn man die bisher bekannten Zahlen ganz vorsichtig hochrechnet, werden wir im Jahr 2004 die Grenze von 700 000 überschreiten. Das ist eine Steigerung von nahezu 50 Prozent.

Können Sie mir irgendeine Organisationsstruktur, einen Organismus, ein Unternehmen nennen, die eine 50-prozentige Steigerung – ich zögere jetzt, das Wort „Umsatz“ zu verwenden, die Kollegin Zwazl wird mich gleich kritisieren (Bundesrätin Zwazl: Nur, wenn Sie etwas Unrichtiges sagen!) – ihres Aktivitätsbereiches mit weniger Personal bewältigen als vorher? – Das ist unmöglich. Von den Beamten der Exekutive wird etwas verlangt, das nicht funktionieren kann, und die 97. Organisationsänderung wird daran nichts ändern, dass das zu wenig Menschen sind, weil es weniger sind als 1999. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das kommt eben auch darin zum Ausdruck, dass eine Verringerung der Aufklärungs­quote von knapp über 50 Prozent im Jahr 1999 auf rund 37 Prozent im heurigen Jahr stattgefunden hat. Mehr kriminelle Delikte, weniger Personal – da kann man nur um ein Drittel weniger Delikte aufklären! Das ist eine in höchstem Maße anerkennenswerte und lobenswerte Leistung der Menschen, die im Exekutivapparat an der Front stehen, aber kein Leistungsbeweis für den Minister und seine Planungen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir haben unserer Dringlichen Anfrage eine bunte und durchaus zufällige Auswahl von lokalen Medienstimmen beigegeben, aus denen hervorgeht, dass das kein Problem allein der großstädtischen Ballungsräume ist, obwohl es dort Spitzenwerte gibt, sondern ob es um den Bezirk Schwaz, ob es um Enns, ob es um das Burgenland, ob es um Krems geht – überall steigt die Kriminalität. Und ich sage es noch einmal: Überall stehen weniger Menschen zur Verfügung, um diesem Problem Herr zu werden. In Linz sind es heute beispielsweise 700, 1999 waren es 775 – um 10 Prozent mehr bei einer damals auch dort wesentlich geringeren Kriminalität.

Auch diese Zahlen lassen sich für jeden österreichischen Bezirk darstellen. Ich will Sie nicht damit ermüden – „langweilen“ kann man nicht sagen, denn es sollte Sie inter­essieren. Da ist das Sparprogramm dieser Regierung nach hinten losgegangen. Die Regierung spart an der Exekutive, und die Rechnung zahlen die Opfer der Kriminalität mit ihren Verletzungen an ihrem Vermögen, an ihrem Eigentum und oft genug an ihrer körperlichen Integrität. Das ist eine Rechnung, bei der wir nicht mitmachen können! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und nun soll das so weitergehen. Die Sozialdemokratie und viele kritische und unab­hängige Sicherheitspolitiker sind selbstverständlich dafür, ein Maximum an Synergien zwischen Polizei und Gendarmerie zu nützen. Meine Damen und Herren! Es ist aber völlig klar, dass diese beiden Wachekörper nicht nur eine unterschiedliche Tradition und eine unterschiedliche Identität haben, sondern sehr wohl auch unterschiedliche Aufgabenstellungen. Das Zusammenwirken zwischen der Gendarmerie und den Bezirksverwaltungsbehörden ist ein Element, das die Polizei in ihrem Wirkungsbereich nicht einhält und nicht einhalten muss, weil sie über eigene Juristen verfügt, die etwa im Bereich der Verkehrsstrafen die Straferkenntnisse ausfertigen und erforderliche Erhebungen pflegen.

Meine Damen und Herren! Hier wird die Polizei, die eine Doppelaufgabe hat – sie ist nicht nur Exekutive an der Front, sie ist auch eine Sicherheitsverwaltungsbehörde – nach dem scheinbar personalsparenderen Modell der Gendarmerie umgemodelt.

Es ist völlig klar, was dabei passieren wird: Im Bereich der Polizei wird eine der beiden Aufgaben zu kurz kommen. Entweder werden so wie bisher zu wenige Leute draußen auf der Straße sein, oder aber die sicherheitsjuristische Seite, also das, was im Bereich


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