Bundesrat Stenographisches Protokoll 714. Sitzung / Seite 119

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

der Gendarmerie die Bezirksverwaltungsbehörde erledigt, wird irgendwie zum Erliegen kommen, was ich mir nicht wirklich vorstellen kann, und daher werden weiterhin zu wenige Polizisten – im historischen Sinn – draußen auf der Straße zur aktuellen Ver­brechensbekämpfung unterwegs sein. (Bundesrat Kritzinger: Broda hat die Gefäng­nisse geöffnet!)

Herr Kollege! Erstens ist es nicht wahr, und zweitens fand das, wie Sie als erfahrener – um nicht „alter“ zu sagen – Politiker eigentlich wissen müssten, in einer anderen Situation statt. (Widerspruch bei der ÖVP.) Wenn wir die Kriminalitätsraten der Broda-Jahre und der Rösch-Jahre – im Innenministerium – hätten, könnten wir uns viel Geld in der Sicherheitsexekutive und in der Justiz ersparen. Dem ist aber nicht so. Nehmen Sie einmal die Sicherheitsberichte jener Jahre zur Hand! Es wird Ihnen vorkommen wie „Rotkäppchen“, so freundlich sind dort die Geschichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich rede jetzt gar nicht von dem ... (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.) Ja, das waren die Jahre von „Schneewittchen“, als wir tatsächlich mit einer Kriminalität und auch mit Kriminellen konfrontiert waren, die mit den heutigen nicht annähernd ver­gleichbar sind. Jeder ältere Polizist und Gendarm wird Ihnen nette Geschichten aus der freundlichen Zeit der guten, alten Galerie erzählen und wird die Horrorgeschichten einer ganz anders organisierten, viel brutaleren Kriminalität von heute dagegen halten. Fragen Sie die, die an der Front stehen! Wir tun es auch, und ich verbreite hier keine Papierweisheit, sondern Dinge, die Ihnen jeder in der Sicherheitsexekutive Tätige tagtäglich erzählen kann. (Bundesrat Kritzinger: Das Chaos ...!)

Ja, „Chaos“ ist das richtige Wort. Das wollte ich als Nächstes sagen, danke für das Stichwort! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Nun reicht es nicht, dass wir dieses Wachstum an Kriminalität und dieses Sinken der Aufklärungsraten haben. Wir müssen offensichtlich, so meint der Herr Minister, dafür sorgen, dass sich die Sicherheitsexekutive im nächsten Jahr primär nicht mit der Krimi­nalität, sondern mit sich selbst beschäftigt. Wir führen also – nein, nicht wir, sondern er führt zwei Wachkörper zusammen. Die Probleme der Diensteinteilung sind noch zu lösen, darüber rede ich gar nicht. Aber es ist jeder Leitungsposten, offenbar bis hinunter auf die kleinste Ebene, neu zu besetzen. Selbst das Innenministerium spricht von rund 4 000 Neuausschreibungen – selbst das Innenministerium! –, die Gewerk­schaft kommt bei Übersetzung des Textes auf bis zu 12 000 Neuausschreibungen.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie ehrlich – Kollegin Zwazl ist jetzt leider nicht hier, ich hätte sie gerne zur Kronzeugin aufgerufen (Bundesrat Ager: Wir sagen es ihr, wir richten es aus!); ja, aber dann versteht sie mich womöglich wieder falsch –: Können Sie sich ein Unternehmen von 30 000 Beschäftigten vorstellen, das sich vornimmt, 12 000 Mitarbeiter ein Jahr lang in Unsicherheit zu halten, bis die Neuausschreibungen erledigt sind? Und können Sie sich in einem Wirtschaftsbetrieb vorstellen, wie sich das auf die Produktivität auswirkt? (Bundesrat Zellot: Bitte sagen Sie uns das! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es wird verheerend sein! Jeder heutige Gendarmerie-Dienstpostenleiter wird zittern, ob er es wieder wird, und wird sich im Wesentlichen damit beschäftigen, die ihm offen liegenden Möglichkeiten, den Prozess zu beeinflussen, zu nützen. Das ist nicht kritikwürdig, das ist menschlich im höchsten Maße verständlich, aber sinnvoll ist es nicht!

Wenn dann zudem – und das lässt mich ja das Ärgste befürchten – der Sicher­heits­sprecher der ÖVP im Nationalrat, der Abgeordnete Kößl, sagt, es sei doch nur selbst­verständlich, dass der Minister sich für dieses Jahrhundert-Projekt für Spitzenposten – 12 000 Spitzenposten, das ist ein Verein mit lauter Häuptlingen und keinen Indianern! – auch die besten Köpfe aussuchen wolle, dann lässt das anhand der bisherigen


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite