Bundesrat Stenographisches Protokoll 715. Sitzung / Seite 56

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Die Frage ist aber, wie lange kann ein sozialer Abbau hintangehalten werden ange­sichts geradezu einer „Anarchie in der Weltwirtschaft“ und einer politischen Elite, wie Heiner Geißler sagt, die „davor kapituliert“.

Es gilt, diese offensichtlich unausweichliche Globalisierung human zu gestalten. Eine erste Maßnahme wäre, den Steuersenkungswettlauf europaweit zu stoppen, denn dieser ist wirklich ruinös. Weiters müsste europäische Wirtschaftspolitik konzipiert wer­den; die so genannte Lissaboner Erklärung müsste endlich mit Inhalt erfüllt werden; es geht dabei aber auch um Länder wie Venezuela. – Ich bedanke mich übrigens bei Frau Außenministerin Plassnik für die Erklärung und für die Information über die derzeitige Situation in der Ukraine.

Es gilt aber auch, in ferneren Ländern eine eigene aktive Rolle zu übernehmen, wenn offensichtlich Konzerne die Geschicke einzelner Länder geradezu zu diktieren ver­suchen.

Die Weltbank, so wird uns berichtet, versucht, nachdem dies in den Oststaaten gelun­gen ist, nunmehr auch am Balkan mit „sanftem Druck“ und „mit Überzeugungskraft“, wie sie sagt, das amerikanische Modell durchzudrücken und diese Länder in Bezug auf eine Finanzierung ihrer Pensionssysteme wegzubringen von einem Umlageverfahren – hin zu einem Kapitaldeckungsverfahren. Bei der „Anarchie der Finanzmärkte“ ist das eine sehr gefährliche Entwicklung, vor allem wenn man bedenkt, was in der EU-Kom­mission noch Weiteres angedacht ist in Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie, wozu ja Österreich eine sehr passive Rolle einnimmt. Passivität in diesem Zusammenhang heißt jedoch nichts anderes als das Unterstützen dieser neoliberalen Politik!

Die Balkanländer sollten gewonnen werden zu einem Beitritt zur Europäischen Sozial-Charta, und zwar als langfristige Absicherung des europäischen Wohlfahrtsstaates. Es wäre wesentlich wichtiger – anstatt der Weltbank das Feld zu überlassen –, dort mit den Zivilgesellschaften, mit den Verbänden, mit den Sozialpartnern, mit den Gewerk­schaften Kontakt aufzunehmen und diese in ihren Bestrebungen zu unterstützen.

Zur Friedenssicherung beziehungsweise Friedensstiftung in Palästina wäre es auch erforderlich, jene gesellschaftlichen Strukturen zu stärken, die letztendlich das Funda­ment für Frieden und Wohlstand bilden. Kümmern wir uns weniger um Deregulierung und um das Aufbereiten des Bodens für die Multis, sondern stützen wir beispielsweise auch die Zivilgesellschaft in China! Und dazu gehören eben Gewerkschaften und Verbände der Opposition! Übernehmen wir eine aktive Rolle in der EU, und versuchen wir, Partner und Verbündete in Europa zu suchen, um diese Dienstleistungsrichtlinie ... (Bundesrat Bieringer spricht mit jemandem.) – Kollege Bieringer, ich würde empfeh­len, sich damit einmal zu beschäftigen, denn es werden sehr viele von dieser Richtlinie betroffen sein!

Was die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses dazu anlangt, frage ich die neue Außenministerin – sie kann es jetzt leider nicht mehr persönlich hören –, welche Position Österreich zum transatlantischen Dialog einnimmt. Eine außenpolitisch zentrale Entwicklung geht doch von dort aus. Mittlerweile wissen wir, dass im Business-Dialog den 15 größten Konzernen das Feld überlassen wurde und sie alleine die Satzung für diesen transatlantischen Dialog schreiben konnten – und der Labour-Dialog mittlerweile noch nicht einmal begonnen hat.

Das, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sind Arbeitsfelder, sind inhaltliche Positionen, die bisher unter Ihrer Regierungszeit und seitens Ihrer Außenpolitik nicht ins Blickfeld gerückt wurden! Sie, Herr Bundeskanzler, haben um Vertrauen geworben für die neue Außenministerin, die Frau Außenministerin hat das auch für sich getan, daher dazu: Es gibt ein Vorschussvertrauen. Vertrauen gilt es zu erwerben. Erworben


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