Bundesrat Stenographisches Protokoll 715. Sitzung / Seite 145

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Schüssel medienwirksam gefeiert werden. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber zu allem ande­ren gehören Sie auch! – Bundesrat Ing. Kampl: Du glückliches Österreich, dass wir das feiern dürfen und können!)

Auch die Österreichische Hochschüler- und Hochschülerinnenschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, wird in diesem Jahr 60 – aber Grund zum Feiern hat sie wenig, denn im Unterschied zur Republik und zum ORF ist sie nicht schwarz-blau, sondern seit 2001 rot-grün geführt, nicht gefärbt, und allein das ist für die Regie­rung Anlass genug, ihr ein besonderes Geburtstagsgeschenk zu machen: Noch schnell vor Jahresende und vor allem vor den im Mai 2005 anstehenden ÖH-Wahlen soll das ÖH-Wahlrecht so abgeändert werden, dass die linke Mehrheit im Studentenparlament aus dem Amt gepuscht wird. – Sie sehen, meine Kolleginnen und Kollegen, Frau Minis­ter, ich habe nicht das Wort „umgefärbelt“ gebraucht.

Die Österreichische Hochschülerschaft hat sich im Laufe ihres 60-jährigen Bestehens zu einem Gradmesser der Demokratie in Österreich entwickelt. Ein Blick auf ihre Ent­stehungsgeschichte zeigt, dass die ÖH immer als politisches Projekt angelegt war, und zwar gerade deshalb, weil sie die Interessen der Studierenden vertritt, und gerade deshalb, weil sie das bis jetzt immer gut getan hat.

Bisher konnten die Studierenden bei den ÖH-Wahlen in vier Ebenen ihre Vertretung direkt wählen – Frau Kollegin Konrad hat sie aufgezählt, das erspare ich mir daher. Und jetzt kommt auf einmal die neue Festlegung der Größe des Studentenparlaments per Verordnung!

In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Aussage, die mich nachdenklich ge­stimmt hat, besonders hinweisen, auf eine Aussage in der „ZiB 2“ vom 22. No­vember 2004, als der Herr Bundeskanzler auf die Frage, wie bei manchen Reformen vorgegangen wird, geantwortet hat – ich zitiere –:

„Aber bei der Hochschülerschaft geht es darum, dass die Universitäten mehr Geld bekommen sollten. Das ist eigentlich das, was die Parlamentarier derzeit diskutieren. Das ist kein Regierungsplan.“

Und dann fügte der Herr Bundeskanzler noch hinzu, er finde, das sei eine „vernünftige Reform“.

Damit hat sich der Herr Bundeskanzler eigentlich mit wenigen Worten aus der Verant­wortung gezogen. Er hat nicht darauf geantwortet, was mit der ÖH-Reform vor sich gehen soll.

Studenten und Studentinnen aber wollen die Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft – ab heute auch: und Hochschülerschaftinnen (Bundesrat Konec­ny: Hochschülerinnenschaft! – weitere Zwischenrufe); bitte um Entschuldigung: Hoch­schülerinnenschaft – weiter direkt wählen. Das zeigt eine von der ÖH in Auftrag gege­bene Umfrage unter mehr als 600 Studenten – Frau Kollegin Konrad hat auch darauf schon hingewiesen –: 57 Prozent davon – man kann das nicht oft genug sagen! –, 57 Prozent der Studenten und Studentinnen geben an, dass sie die Direktwahl für sehr wichtig halten.

Die grün-rote ÖH-Spitze sieht sich aufgrund dieser Umfrage in der Ablehnung des von ÖVP und FPÖ geplanten Hochschülerschaftsgesetzes bestärkt, das die Abschaffung der Direktwahl vorsieht.

Ich weiß nicht, Frau Minister, wie oft und wie lange Sie in den Universitäten unterwegs sind und ob Sie den Aufenthalt in den Räumlichkeiten der Universitäten bevorzugen, aber wenn Sie das machten, dann würden Sie auch auf die Fülle an Unannehmlich­keiten, die Studentinnen und Studenten dort in Kauf nehmen müssen, aufmerksam.

 


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