Bundesrat Stenographisches Protokoll 717. Sitzung / Seite 28

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Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Politik hat die Aufgabe, die Probleme des Zusammenlebens der Menschen zu lösen. Der Mensch hat ein großes Beharrungsvermögen entwickelt, er neigt zu Rou­tine, und das führt langfristig zu bedeutenden Verkrustungen. Die Entwicklung der Menschheit geht aber zweifelsohne weiter.

Wenn das Ist und das Soll – um es etwas nüchtern darzustellen – zu weit auseinander klaffen und es dringender Reformen bedarf, gibt es zwei theoretische Lösungsansätze: Der eine ist die Revolution, der andere die Evolution, wobei bei der Evolution eben das schrittweise stetige Voranschreiten die Maxime ist.

Wir wissen aus der Geschichte, dass die Revolutionen, zumindest die Französische, aber auch die Oktoberrevolution in Russland, äußerst blutig abgelaufen sind und dass jene, die die Revolution ausgelöst haben, sie nicht immer überlebt haben. Wenn ich allerdings in den Westen blicke, in die heutigen Vereinigten Staaten von Amerika, beziehungsweise auch nach England, in Länder, die heute, was die Dauer ihrer demokratischen Entwicklung betrifft, einsame Vorbilder sind, dann ist zu sagen, in England ist die glorreiche Revolution 1689 ausgesprochen ruhig verlaufen, und auch in den USA hat es seit 1776 keine Revolution mehr gegeben.

Damit will ich ausdrücken, dass die Demokratien ein gigantisches Erneuerungs­potential haben, dass der Wettstreit der Ideen entsprechend kanalisiert ist.

Nun für Österreich: Die Zeiten haben sich zweifelsohne geändert. Die Globalisierung wird von jedem Politiker nicht nur am Sonntag in den Mund genommen, sondern Reformen sind auch in Sonntagsreden immer wieder angesagt. Der Reformbedarf wird überall beklatscht, aber dann, wenn es konkret wird, möchte man versuchen, das etwas hintanzustellen.

Ich darf aber auch daran erinnern, dass wir seit 1995 Mitglied der Europäischen Union sind, dass es dort das Tampere-Abkommen gibt, zu dem sich die Regierungschefs entschlossen haben, dass wir bei Europol und Eurojust intensiv mitarbeiten beziehungsweise versucht wird, auch die Zusammenarbeit im Bereich des Inneren in Europa massiv zu verstärken.

Die große Koalition hat zum Schluss bewiesen, dass sie überhaupt nicht mehr voran­schreiten kann. Es gibt genügend Beispiele, das zu untermauern. Die notwendigen Reformen haben sich aufgehäuft.

Nun hat sich seit dem Jahr 2000 ein Reformfenster aufgetan, das glücklicherweise immer noch offen ist, und auch der Reformwille ist weiterhin gegeben.

Neulich war eine Klausur der ÖVP-Wien im Hotel am Sachsengang. (Bundesrat Konecny: Waren alle 20 dort?) Dort hat der Lehrlingsbeauftragte der Bundesregie­rung, Herr Blum aus Vorarlberg – die sind immer sehr nüchtern und realistisch und machen gute Vorschläge –, unter anderem Folgendes gesagt: Die Idee zur Reform sei 5 Prozent wert, das Umsetzen einer Reform jedoch 95 Prozent. (Bundesrat Konecny: Das weiß die ÖVP-Wien ganz genau!) – Man kann sicher über die Prozentsätze streiten, aber im Grunde genommen ist die Umsetzung das Entscheidende.

Die Idee der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie hatte bereits der von Ihnen besonders geschätzte – ich meine natürlich, von meiner linken Seite – ehe­malige Minister Olah beziehungsweise später der zuerst im Kanzleramt und dann im Innenministerium tätig seiende Minister Löschnak. Entscheidend aber war für die jetzige Bundesregierung, dass der Präsident des Rechnungshofes schon vor mehreren


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