Bundesrat Stenographisches Protokoll 717. Sitzung / Seite 60

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11.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Die Novelle zur Strafprozessordnung, die hier vorliegt, findet natürlich unsere Zustimmung. Es ist eine ganze Reihe von Modernisierungen und Adaptierungen enthalten, zum Beispiel die Modernisierung der Protokollführung, wie sie bereits im Zivilverfahren durchgeführt wird, weiters Adaptierungen zum Beispiel bei der Telefonüberwachung, bei den Rekursen in Haftsachen und so weiter. Es geht auch um die Diskussion über gerichtsmedizinische Gutachten und die daraus resultie­renden Streite. All diese Dinge werden hier repariert oder novelliert, dem werden wir auch gerne zustimmen.

Wir hätten auch dem Sozialbetrugsgesetz gerne zugestimmt, zumindest der Minis­terialvorlage. Die Ministerialvorlage ging doch wesentlich weiter als das, was dann durch Abänderungsanträge plötzlich herausgekommen ist. Diese Abänderungsanträge, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, verhindern heute hier die Zustimmung, die die Ministerialvorlage bekommen hat.

Prinzipiell bin ich einmal froh, dass nach Jahren der Diskussion darüber, neue Straf­tatbestände zu erfinden hinsichtlich der „Erschleichung von Sozialleistungen“, wie das bei FPÖ und ÖVP immer wieder tituliert wird und in der Vergangenheit tituliert worden ist, davon Abstand genommen wurde, sodass das nicht der Fall ist. Aber wir sehen nun, dass der Ministerialentwurf eine ganze Reihe von sehr fortschrittlichen Dingen enthal­ten hat.

Dazu gehört zum Beispiel, dass die Sozialversicherungsanmeldung mit dem Arbeits­antritt erfolgen muss. Das ist genau dieser wichtige Punkt, der so viele Betrugs­möglichkeiten eröffnet hat, nämlich dann, wenn es auf der Baustelle eine Kontrolle gab und dort gesagt wurde: Der Dienstnehmer ist gerade in Anmeldung. – Genau das wurde jetzt aufgeweicht, nun heißt die Formulierung: „bei Arbeitsantritt, spätestens jedoch bis 24 Stunden des ersten Beschäftigungstages“. Da besteht jetzt genauso wieder ein Graubereich, bei dem man sich nicht auskennt.

Wichtig wäre es gewesen, dass man die Interessengemeinschaft, die es zwischen Schwarzarbeitgeber und Schwarzarbeitnehmer manchmal gibt, durchbricht, indem man eine ganz klare Regelung hat. Und die Regelung heißt: Wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zu arbeiten beginnt, zu diesem Zeitpunkt muss er oder sie angemeldet sein. Jetzt ist wieder eine Diffusität möglich; das heißt, es kommt eine Kontrolle, und man sagt: Ja, wir sind gerade in der 24-Stunden-Frist. – Genau das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor.

Das Nächste wäre gewesen – und wir Grüne fordern das ja in der Umweltpolitik schon längst –, dass wir auch in diesem Bereich eine Beweislastumkehr brauchen. Die Behörden können regelmäßig die Dauer einer illegalen Beschäftigung nicht nach­weisen. Diese Beweislast muss man umkehren: Die Dienstgeber müssen beweisen, ab wann eine Person ordentlich beschäftigt ist und wann nicht. Das ist ein neuer Ansatz, und dieser Ansatz hilft wesentlich, diese Symbiose, vor allem im Fracht- und im Baugewerbe, der Schwarzarbeitgeberei zu durchbrechen.

Wäre das alles enthalten gewesen, wir hätten dem gerne zugestimmt; selbst der Rege­lung der tätigen Reue, die nicht strafgesetzbuchkonform ist, nämlich zu der anderen Regelung, die hier sehr weit ausgelegt werden kann. Das heißt, bis jetzt war die tätige Reue bis zu dem Zeitpunkt möglich, zu dem die Behörde vom Verschulden des Täters oder der Täterin erfahren hat. Beim Sozialbetrug soll die tätige Reue aber bis hin zur mündlichen Verhandlung möglich sein. Das ist mehr als großzügig und im Strafrecht wahrscheinlich einzigartig. Wir hätten sogar das noch akzeptiert.

 


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