Bundesrat Stenographisches Protokoll 717. Sitzung / Seite 246

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gelangte. – Bei all diesen Kämpfen kamen auch sehr viele ungenannte Helden ums Leben.

Es ist nicht ganz einfach, die Ukraine als einfachen Staat zu begreifen, ist doch die Ukraine ein Staat mit vielen Traditionen: Sie ist auf der einen Seite russisch geprägt, ein klein wenig auch preußisch geprägt, und wir Österreicher bilden uns ein und freuen uns sehr, dass ein Teil der Ukraine österreichisch geprägt ist – ich nenne da Lemberg oder Cernowitz, um zwei bedeutende Städte anzuführen; ebenso anzuführen wären aber sicherlich auch noch Iwano-Frankiwsk und so weiter.

Ein großer Teil der Ukraine ist aber auch osmanisch geprägt. Wir können daher nicht erwarten, dass dieser Staat so schnell und einfach beispielsweise österreichische Formen der Demokratie annimmt.

Wer wissen nicht, wer im Falle Juschtschenko die Täter sind, ob diese sozusagen regierungsautorisiert oder beauftragt gehandelt haben – oder ob das ein fehlgeleiteter „Idealist“ war. Wir wissen nur, dass das mit unserem Verständnis von politischem Handeln auf keinen Fall zusammenpasst!

Bei der Ukraine geht es also um einen vielschichtigen Staat – und nun zum, wie hier geschrieben wird, ukrainischen Volk: Das ist etwas, was mir etwas schwieriger über die Lippen kommt, denn eigentlich sind das die ukrainischen Völker. In der Ukraine wird eben nicht nur ukrainisch gesprochen: Es wird russisch gesprochen, ebenso viele andere Sprachen – um nicht zu sagen „Dialekte“; das wäre wahrscheinlich ungerecht.

Es ist für uns im Westen daher nicht einfach – wir in Österreich gehören dem Westen des europäischen Kontinents an –, zu begreifen, was sich in der Ukraine abspielt. Ich hatte vor wenigen Tagen das Glück, bei einem Mittagessen mit dem russischen Bot­schafter zu speisen, und natürlich kam dabei auch die Rede auf das Thema Ukraine. Das lässt sich gar nicht vermeiden, und der russische Botschafter hat dieses Thema auch gar nicht von sich aus vermieden. Botschafter Osadchiy hat in seiner Rede Folgendes festgestellt – diese fand ich irgendwie beeindruckend; wir müssen natürlich unsere Position wahrnehmen; der russische Botschafter aber hat seine Position wahrgenommen, die ich jetzt mit meinen eigenen Worten wiedergebe –: Das, was der Westen sagt und die Ukraine macht, ist nach Ansicht des Westens demokratisch; wenn Russland jedoch etwas sagt, wird das als „undemokratisch“ hingestellt.

Diese Ausführungen von Botschafter Osadchiy haben mich ein bisschen nachdenklich gestimmt, denn es ist vielleicht eine Arroganz unserer westlichen politischen Kultur, eine andere politische Kultur und Ausdrucksfähigkeit – damit meine ich jetzt sicherlich nicht den Mordversuch an Oppositionsführer Juschtschenko – nicht verstehen zu wollen.

Ich bitte daher, diese Worte von mir als solche zu verstehen – und möchte ausdrück­lich betonen: Ich bin vollkommen für diesen Entschließungsantrag, gebe jedoch auch zu bedenken: Es handelt sich erstens in der Ukraine um verschiedene Völker, zweitens handelt es sich um unterschiedliche historische Bindungen, drittens um unterschied­liche kulturelle Prägungen – und daraus resultieren, viertens, unterschiedliche politi­sche Traditionen. Ich rechne aber in „unterschiedliche politische Traditionen“ keines­wegs den politischen Mord ein, denn einen solchen gibt es auch in anderen Ländern, so zum Beispiel soll so etwas auch schon in den vergangenen 50 Jahren in Nord­amerika vorgekommen sein.

Den Wahlbeobachtern wünsche ich gutes Gelingen! Wie immer die Wahl in der Ukraine ausgehen wird – und durch die Beobachtung als demokratisch legitimiert


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