Bundesrat Stenographisches Protokoll 718. Sitzung / Seite 50

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kommt wie das Amen im Gebet – aber das ist es ja nicht. Ganz Österreich – ganz egal, aus welchem politischen Lager, ob Rot, Grün, Blau oder Schwarz; nämlich sehr viele auch aus der ÖVP – wartet eigentlich seit Monaten auf eine Regierungsumbildung, und alle fragen sich: Wann kommt sie?, und das ist die Regierungsumbildung an der Spitze des Finanzministeriums! – Doch die kommt nicht und die kommt nicht und die kommt nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin immer jemand gewesen, der sehr großzügig ist, und ich kann sagen: Im Grunde funktionieren ja die Ministerien so weit, aber dieses Ministerium, Herr Bundeskanzler, funktioniert nicht mehr! Das funktioniert nicht mehr an der Spitze. Da ist tatsächlich Handlungsbedarf gegeben! Aber Sie haben hier eine Nibelungentreue ausgesprochen, und diese Nibelungentreue hält offensichtlich trotz aller persönlichen und in der Amts­führung gezeigten Schwächen – und wir warten. Auch viele aus Ihrem eigenen poli­tischen Lager schütteln eigentlich, wenn sie offen und ehrlich sind, nur mehr den Kopf und sagen: Wir verstehen – erlauben Sie, dass ich es so salopp sage – den Schüssel nicht! – Hier, glaube ich, haben Sie wirklich Handlungsbedarf.

Es gibt Entscheidungen von Koalitionsparteien, und es gibt persönliche Entscheidun­gen. Professor Konecny hat gemeint: Strasser ist abhanden gekommen. – Also dieses Wort, muss man eigentlich sagen, trifft es irgendwie. Er ist ja wirklich über Nacht abhanden gekommen. Die Frau Bürgermeisterin beziehungsweise der ganze Nieder­österreicher-Block wird sagen: ein tüchtiger Minister, und plötzlich ist er weg, über Nacht ist er praktisch weg. Er ist dann nicht einmal mehr bei der Nationalratssitzung anwesend gewesen. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie vermissen ihn!) Natürlich vermisse ich ihn! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich vermisse ich ihn, weil sich ja Biographien, wenn man ein gewisses Alter hat, auch öfters kreuzen; das habe ich ja hier von dieser Stelle aus schon einmal gesagt. Ich habe an diesem Rednerpult stehend oft auch sehr persönlich Minister Strasser ins Gewissen geredet und habe gesagt: Ich verstehe dich nicht mehr!, und ich verstehe vieles in Anbetracht früherer Aussagen nicht. – Doch dann: das große Schweigen!

Minister Haupt ist ja bekannt als kein Schweiger. Wir haben das ja hier schon des Öfteren erlebt: Wenn Minister Haupt spricht, dann spricht er lange. Beide – beide! – schweigen seither. Irgendwie ist ja auch Minister Haupt abhanden gekommen: Er fährt zu einer Klausur, und nachher ist er nicht mehr Minister – eine blöde Geschichte. Seit­her wird auch von dieser Seite geschwiegen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben gemeint, Ihnen fehle gerade in Bezug auf Minister Haupt ein Applaus von Seiten der Opposition. Ich sage Ihnen: Ich stehe überhaupt nicht an, auch seitens unserer Fraktion die wirklichen Bemühungen von Minister Haupt zu würdigen. Er hat nämlich in vielen Bereichen ein wirklich großes Engagement gezeigt; ich erwähne in diesem Zusammenhang etwa nur die Frage der Behinderten­politik. Er war sicher einer der langjährigen und wirklichen Experten im Sozialbereich. Ob er als Minister immer glücklich agiert hat oder ihm die Regierung die Möglichkeiten gegeben hat, seine Vorstellungen umzusetzen, das ist etwas anderes.

Was bei Minister Strasser zurückbleibt, das ist sicherlich eine große, tiefe Verunsiche­rung in der Exekutive; das müssen wir einfach feststellen. Da ist vielleicht der jugend­liche Übermut bei ihm in manchen Dingen merkbar. Wie verträglich in einem so großen Unternehmen, wie es Polizei und Gendarmerie sind, Umbauten sind, ist hier die Frage.

Es ist jetzt tatsächlich Handlungsbedarf in einem Ministerium gegeben, und was wir anlässlich einer Regierungsumbildung heute schon feststellen müssen, ist der Sand im Getriebe dieser Koalition. Es geht jetzt nicht um einzelne Ministerien, sondern in dieser Koalition ist viel Sand im Getriebe. Möglicherweise ist schon der Zucker in den Motor eingedrungen, das heißt, der Motor beginnt zu stottern. Der Regierungsmotor quält


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