Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 82

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weiter in meinem Weg bestärkt –, werde ich trotz einiger Bedenken diesem Gesetz gerne zustimmen.

Den Vorwurf, dass dieses Gesetz im Rahmen von Anlassgesetzgebung entstand, kann man im Grunde genommen für jedes Gesetz vorbringen. Ich berichte jetzt von einer der berühmtesten Anlassgesetzgebungen zur Zeit – wie ich glaube – des Kaisers Ferdinand. Wer war der Nachfolger von Josef II? (Ruf bei der ÖVP: Leopold II.!) Jeden­falls wurde 1805 vom Kaiser ein heute noch geltendes Gesetz in Auftrag gegeben. (Bundesrat Gruber: Dann war es Auftragsgesetzgebung! – Ruf bei der ÖVP: Damals regierte Kaiser Franz!) Man benötigte dieses Gesetz, um ein großes Reich gut regieren zu können, nämlich das Bürgerliche Gesetzbuch. Das Bürgerliche Gesetzbuch war Anlassgesetzgebung, und dieses Bürgerliche Gesetzbuch ... (Zwischenruf des Bundes­rates Weilharter.) Dieses Bürgerliche Gesetzbuch wurde sechs Jahre lang in Galizien erprobt und hat dann für das ganze Reich Gültigkeit erlangt. Es war dies vielleicht das bedeutendste Anlassgesetz, welches in Österreich jemals geschaffen worden ist, und diesem Gesetz verdanken wir vieles, was wir in dieser Republik heute noch an Gesetz­gebungen haben.

Warum soll es sich bei diesem Gesetz nicht um Anlassgesetzgebung handeln wie bei allen anderen Gesetzen? Es gibt Gesetze, die werden gemacht, damit man Wahlen gewinnt – oder vielleicht auch nicht gewinnt –, es gibt Gesetze, um ökonomischer Ver­nunft zum Sieg zu verhelfen. – Wenn der Herr Minister mit dem Auditorium schwatzen will, so kann er es! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sorry!) Pardon!

Es gibt auch Gesetze, die sollen der ökologischen Notwendigkeit dienen. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.) Nachher!

Bei diesem Gesetz wird die Grätsche versucht – und, wie ich glaube, durchaus ge­konnt –, Ökonomie und Ökologie friedlich zu vereinigen. Die Koalitionsregierung und wir, die Koalitionsbundesräte, sind der Meinung, dass es gelingt. Die Opposition ist der Meinung, dass es nicht gelingt. Das sei Ihnen unbenommen! Und es wird uns vielleicht auch nicht gelingen, Sie davon zu überzeugen.

Der einzige Punkt, bei dem ich Bedenken habe, sind nicht Ökologie und nicht Öko­nomie, sondern die verfassungsmäßige Haltbarkeit. Hier gibt es nämlich das Problem, dass eigentlich das Gleiche unterschiedlich gehandhabt werden soll: diese temporären Großprojekte mit den üblichen Wünschen der kleinen Gewerbetreibenden und alle jene, die Umweltverträglichkeitsprüfungen brauchen. Da stimme ich Ihnen völlig zu.

Ich habe Zweifel, das muss ich Ihnen hier sagen und das muss ich dir, Herr Bundes­minister Pröll, auch sagen, dass dieses Gesetz hält. Aber meine Zweifel sind getragen von der Hoffnung, dass dieses Gesetz hält, weil es nicht die Absicht in sich trägt, nach­teilig für irgendwelche Gruppen wirken zu wollen.

In diesem Sinne wünsche ich dem Gesetz viel Glück und Haltbarkeit (Bundesrätin Bachner: Mit Recht!) und der Opposition in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren die Einsicht, dass sie ein gutes Gesetz leider nicht mitgetragen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Das ist dann das 86. Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof aufhebt!)

15.21


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.21.15

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Minister, auf Grund Ihrer Antworten auf meine Fragen musste ich mich noch einmal zu Wort melden.

 


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