Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 128

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EU-Verfassung soll einerseits Entscheidungen erleichtern, andererseits aber auch die Demokratie fördern. So wird zum Beispiel vorgeschlagen, dass es eine kleinere Kom­mission gibt oder etwa dass die nationalen Veto-Möglichkeiten weiter eingeschränkt werden, da immer mehr Bereiche mit Mehrheit entschieden werden sollen.

Konkret sieht das für Abstimmungen im EU-Ministerrat folgendermaßen aus: Es gilt bei Abstimmungen die doppelte Mehrheit. Mindestens 55 Prozent der Staaten, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, müssen einem Gesetz zustim­men, damit es verabschiedet werden kann. Mindestens 15 Staaten müssen zustimmen und mindestens, meine Damen und Herren, vier Staaten sind notwendig, um einen Be­schluss zu blockieren, sprich die bekannte Sperrminorität. Drei Viertel dieser Minorität können verlangen, dass keine Abstimmung erfolgt, um später zu einer Mehrheit zu kommen. Speziell für kleinere Staaten gibt es Sondervereinbarungen, die so genann­ten Zusatzklauseln. Auch bei sensiblen Themen, wie etwa in den Bereichen Wirt­schafts- und Währungspolitik, gibt es weitaus leichtere Möglichkeiten, Änderungen und Entscheidungen zu blockieren.

Auch im Bereich des Europäischen Parlaments gibt es die Einigung, dass beispiels­weise kleinere Staaten von den bis jetzt mindestens drei Abgeordneten auf später sechs aufzustocken sind.

Diese Bereiche, meine Damen und Herren, sind relativ klar und wurden in all den Einigungsgesprächen sehr intensiv verhandelt. – Kommen wir nun aber zu ein paar Punkten in dieser neuen EU-Verfassung, die sowohl in einigen Medien als auch von Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen vehement kritisiert werden.

Es ist Tatsache, dass in dieser EU-Verfassung die Gemeinsame Außen- und Sicher­heitspolitik eine wichtige Rolle einnimmt. Dahinter steht etwa, dass die Rüstungspläne der Mitgliedstaaten besser abgesprochen und harmonisiert werden, damit die Euro­päische Union voll interventionsfähig ist.

Hier, meine Damen und Herren, kann durchaus erkannt werden, dass neben einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik eine verstärkte Gemeinsame Außen- und Sicherheits­politik in Zukunft in der Europäischen Union einen hohen Stellenwert einnehmen wird. Im Mittelpunkt wird dabei sicherlich die qualitative und nicht die quantitative Aufrüstung stehen.

Die Frage, die sich meines Erachtens hierbei stellt, ist jedoch nicht die der Verfassung, sondern was wir als EU-Bürgerinnen und -Bürger damit tun, zum Beispiel die Frage, was die Europäische Union jetzt und in 15 Jahren unter Frieden oder sozialer Sicher­heit versteht beziehungsweise verstehen wird. Dies wird darüber entscheiden, welcher Weg gewählt wird. Hier kann die Tradition der neutralen Staaten innerhalb der EU weitaus mehr leisten, als grundsätzlich angenommen wird. So kann die verstärkte För­derung ziviler Außenpolitikkonzepte die von vielen Kritikern beschworene Militarisie­rung der EU auf einen ganz anderen Weg führen, der sicherlich bei den Menschen in der Europäischen Union auf breiten Konsens treffen würde. Man denke nur an die kritischen Meinungen zu den Vereinigten Staaten betreffend den Irak.

Auch wenn die österreichische Regierung die Neutralität immer mehr aushöhlt, sehe ich in diesem Zusammenhang auch viel zu wenig beachtete Möglichkeiten, wie sich zum Beispiel Finnland, Österreich und Schweden positiv in diese Diskussion einbrin­gen können.

Hervorheben möchte ich vor allem, dass die globalen Herausforderungen im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik von einzelnen Staaten nicht gelöst werden können und somit gemeinsames Tun unabdingbar ist. Das schließt aber auch mit ein, dass die gesamten Entscheidungen von der Bevölkerung der Europäischen


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