Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 136

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der Sonne entgegen, sozusagen – diese Reise gehen soll, um mein Beispiel noch ein bisschen zu strapazieren.

Natürlich ist es eine substanzielle Entscheidung, die jede Nation – das akzeptiere ich – für sich treffen soll, ob sie in diesem Zug sitzen will oder ob sie abspringen will, was bekanntlich nicht so einfach ist. Heute ist das nicht so einfach, früher bei der Wiener Straßenbahn war das relativ leicht, aber trotzdem gefährlich. (Bundesrat Dr. Kühnel: In der Vergnügungsstraßenbahn!) Ja, also es ist relativ gefährlich abzuspringen, das hat schon damals zu vielen Unfällen geführt, das wiederum hat zur Entwicklung der pneu­matischen Türen geführt. – Also, das Abspringen auch von diesem Zug ist riskant.

Jenseits des politischen Dialogs zwischen uns ist der politische Dialog mit den Kräften jener Länder, die zweifeln, ob es eine richtige Entscheidung ist, die Integration zu ver­tiefen. Und das geschieht hier, aus jeder Richtung des politischen Spektrums notwen­dig, weil es die Zweifler auch in jedem Winkel des politischen Spektrums dieser Länder gibt.

Ich nehme das zum Anlass, um auch auf etwas einzugehen, was Kollege Hösele gesagt hat. Wir sollten uns auch klar darüber sein – und das ist kein bösartiger Egois­mus –, dass in dieser Phase der Entwicklung die Vertiefung der Union eindeutig Vorrang haben muss vor Erweiterungen, vor künftigen, vor in absehbarer Zukunft möglichen Erweiterungen, wobei ich schon bereit bin, dazuzusagen: Jene zwei Kandi­daten, die ihren fest ausverhandelten Fast-Vertrag haben, sind selbstverständlich nicht mit neuen Barrieren zu konfrontieren. Natürlich teile ich die Meinung, dass einem Land mit dieser tiefen europäischen Tradition wie Kroatien nicht sozusagen die zugeschla­gene Türe vor die Nase gehalten werden sollte. Aber als EU-Bürger beziehungsweise EU-Politiker sollten wir ehrlich sein, wenn wir mit Vertretern der anderen Balkanstaaten sprechen, wenn wir mit Vertretern der Ukraine sprechen, und wir sollten auch nachden­ken, welche Modelle angeboten werden können, denn die bloßen bilateralen Verträge sind etwas so substanziell anderes, dass sie diesen Ländern auf Dauer nicht reichen werden.

Ich gebe einfach nur so als Denkanstoß zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, mit einigen anderen Schwerpunkten das, was einmal als das große Projekt des Europäi­schen Wirtschaftsraumes begonnen wurde – wo wir, ohne es wirklich gemerkt zu haben, ja auch sechs Monate lang Mitglied waren; aber er ist zu spät gekommen für uns –, wieder aufleben zu lassen, ob es so ein Modell nicht wieder geben könnte, wo es nicht nur bilaterale Vertragsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Partnern gibt, sondern wo es eben eine Vernetzung gibt und wo es eine andere Art der Kommunikation, auch in gemeinsamen Gremien, untereinander gibt, sodass an einem ziemlich weit entfernten Ende auch wieder Beitritte stehen könnten. Aber in der Phase, wo wir entscheiden müssen, wie die Struktur Europas ausschaut, ist die Vertiefung der Union absolut vorrangig.

Wir werden noch eine große Diskussion mit Ländern, deren politischen Kräften und deren Bevölkerung zu führen haben, bei der wir Überzeugungsarbeit zu leisten haben, dass dieser nächste Schritt notwendig ist. Und ich sage auch gleich dazu: Wir sollten nicht kleinmütig sein und, wenn es vielleicht in einem Staat keine Mehrheit gibt, das Projekt nicht gleich fallen lassen. Da wird, wie so oft in der EU, vielleicht auch die Not­wendigkeit von Nachverhandlungen, Nachgesprächen, sozusagen von einer zweiten Runde gegeben sein.

Ich will ausdrücklich nichts von den richtigen Dingen, die gesagt wurden, wiederholen, aber ich betone, dass wir in dieser Frage einen hohen Grad an Übereinstimmung zwi­schen den politischen Parteien dieses Hauses haben. Ich betone, dass die Entschei­dung, es parlamentarisch abzuhandeln, eine korrekte ist und dass – so, wie Kollege


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