Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 15

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Daher kein taktisches Ja zu diesem Vertrag, nichts relativierend, sondern aus ganzem Herzen ein Ja zu dieser Verfassung, weil sie Europa weiterbringt, weil sie die Chance bietet, dass Europa tatsächlich zu einem weltweit agierenden Faktor wird, und das auf der Basis von demokratischen und sozialen Werten, die uns allen teuer sind. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und der ÖVP.)

9.52


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


9.52.02

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geschätzte Frau Außenministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Bevor ich in die Materie eingehe, nur ein Wort: Herr Präsident, namens meiner Fraktion bedanke ich mich für die Klarstellungen, die Sie gleich nach Eröffnung der heutigen Sitzung getroffen haben.

Meine Damen und Herren! Das, was uns hier vorliegt, ist das Fundament für eine Verfassung, ein Fundament, das nicht vollständig, aber in seiner Unvollständigkeit ohne Alternative ist. Dieses Fundament – 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrie­ges, nur 10 Jahre nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, nur knapp nach der großen EU-Erweiterung zur EU der 25 und vor dem nächsten Schritt der Erweiterung – bietet Europa die Chance, das, was auf dem Fundament zu bauen ist, in einem Prozess durch die Bürgerinnen und Bürger Europas entsprechend zu gestalten.

Ja, es ist ein Wermutstropfen dabei, nämlich dass wir dieses Fundament nicht der Bevölkerung in ganz Europa, den europäischen Bürgerinnen und Bürgern in den jeweili­gen nationalen Ländern an einem Tag, also zur gleichen Zeit, im Rahmen einer Volksabstimmung vorlegen können. Dadurch würde das Fundament wesentlich gestärkt werden.

Aber da haben wahrscheinlich Ängste mitgespielt, Ängste über nationale Abstim­mungs­niederlagen beziehungsweise das Nicht-durchringen-Können dazu, dass es keine nationalen Blockade-Minderheiten geben kann, sondern nur eine gemeinsame europäische Mehrheit oder eine gemeinsame europäische Minderheit. Das wäre ein großes Ziel gewesen, das uns jedoch verwehrt geblieben ist.

Bei aller Freude, dass wir dieses Fundament und damit diesen ersten Verfassungs­schritt heute hier mit großer Mehrheit beschließen und abschließen: Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler! Die Bundesregierung hat die Ersatzdebatte in Österreich – diese wäre zumindest zu führen gewesen – nicht erfüllt. Ich merke immer, wenn ich an Diskussionsrunden teilnehme, gerade in Diskussionen mit jungen Menschen, die Lust und das Interesse an dieser Verfassung, an dem, was drinsteht. Die öffentliche Debatte über diese Verfassung in Österreich bestreitet sozusagen Frankreich – seien wir ehrlich, die bestreitet Frankreich. In Frankreich geht der Riss durch die Parteien, durch die Familien, durch die Altersgruppen und durch die Gesellschaft.

Wäre diese Debatte in Frankreich nicht, würde dieser große Schritt 60 Jahre nach Kriegsende nahezu unbemerkt von der österreichischen Bevölkerung hier beschlossen werden.

Herr Kollege Böhm! Würden wir diese Verfassung ablehnen, der Weg zurück zu den Nizza-Verträgen wäre schrecklich und würde eine Lähmung in Europa auf Jahrzehnte hinaus bedingen. Deshalb ein Ja, aber auch aus einem ganz bestimmten Grund ein Ja: weil es nun eine Grundrechte-Gemeinschaft gibt, einen Kodex gemeinsamer Werte, weil Prinzipien wie Nachhaltigkeit, Völkerrecht und so weiter verankert sind, weil wir auch zu einer europäischen Volksgruppenpolitik kommen, sodass wir nicht mehr dieser


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