aus politischen Gründen. Ich bin anderer Meinung. Die österreichische Bundesverfassung ist durch die gewählten Abgeordneten beschlossen worden. Sie wurde keiner Volksabstimmung unterzogen. Sie ist deswegen aber nicht weniger wert.
Und, meine Damen und Herren, ich warne davor, dass ausgerechnet im Hohen Haus Entscheidungen der gewählten demokratischen Volksvertreter quasi abgewertet werden, weil nicht zusätzlich noch eine Volksabstimmung oder Volksbefragung stattfindet. Dagegen wehre ich mich! Für mich ist das der erste Schritt, mit dem man dann möglicherweise Beschlüsse in anderen Bereichen abwertet und damit die gewählte Volksvertretung auf eine mindere Stufe stellt, und das will ich nicht. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben uns als Regierung dazu bekannt. Man kann das, wie ich meine, auch parteiübergreifend sagen – es gab einstimmige Entschließungsanträge, ich weiß nicht, ob im Bundesrat, jedenfalls aber im Nationalrat –, dass wir gemeinsam eine europäische Volksabstimmung oder Volksbefragung vorschlagen, und zwar nicht aus juristischen Gründen, sondern aus einem ganz anderen Grund.
Wenn sich Europa zum ersten Mal einen Verfassungsvertrag gibt, das erste gemeinsame Projekt dieser 25, dann ist das letztlich ein so bedeutsamer Schritt, eine so interessante Erneuerung, dass man das, auch um ein Europabewusstsein, ein Gemeinschaftsbewusstsein der 470 Millionen europäischen Bürger zu erreichen, einem Referendum unterziehen sollte.
Ich selbst habe mit Lamberto Dini, dem italienischen Außenminister, im Jahr 1996 bereits einen solchen Vorstoß gemacht. Wir haben damals drei Dinge vorgeschlagen, die heute fast prophetisch zu sein scheinen.
Das Erste war die Schaffung einer europäischen Volksinitiative, eines Volksbegehrens – das ist jetzt in der neuen Verfassung drinnen –, das Zweite die Möglichkeit eines europäischen Referendums und das Dritte eine Art Monitoring-Mechanismus, der die Sanktionen quasi überflüssig gemacht hätte. Hätten wir diese drei Dinge verwirklicht, Europa stünde sicherlich besser da.
Kein Mensch hat damals auf uns gehört. Ich glaube, wir haben damals durchaus manches geahnt, was gerade heute viele europäische Bürger auch wollen, fühlen und wofür wir Österreicher – und dafür brauchen wir uns nicht zu genieren – etwas früher eingetreten sind.
Für eine solche europaweite Abstimmung wäre ich jederzeit zu haben gewesen. Wir haben das im Europäischen Rat dreimal vorgeschlagen. Das, was jetzt stattfindet, ist die schlechteste Variante: ein Fleckerlteppich von neun individuellen Referenden bei insgesamt 25 Ratifikationen durch die Parlamente, 26 mit dem Europäischen Parlament, und de facto eineinhalb bis fast zwei Jahre Standstill, weil jeder mit Argusaugen oder mit schreckgeweiteten Augen auf das nächste Referendum blickt. Keiner traut sich jetzt irgendeine Entscheidung zu treffen, alles bleibt in der Schublade. Gut für Europa ist das nicht!
Noch einmal: Herr Professor, wenn Sie dieser Meinung gewesen wären, hätten Sie das eigentlich im März sagen müssen. Das ist aber nicht der Fall gewesen, aus guten Gründen: Weil wir uns auf diese europaweite Linie festgelegt haben. Und dieser Vertrag – nehmen Sie es, wie Sie wollen – ist mit Sicherheit eine Weiterentwicklung von Nizza, ein besserer Vertrag, aber ganz sicher keine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung. Kein einziger Punkt davon! Es sind Weiterentwicklungen. Deswegen brauchen wir selbstverständlich auch eine Verfassungsmehrheit und deswegen laden wird selbstverständlich auch dazu ein, dass wir diesen Weg, so wie auch in der Vergangenheit, gemeinsam gehen.
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