Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 23

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langjährigen EU-Kritikers Karl Schachtschneider, der den EU-Verfassungsvertrag in der vorliegenden Form als nicht mit dem Deutschen Grundgesetz vereinbar sieht.

Ich sehe diesen Verfassungsvertrag nicht in Einklang mit unserer Bundesverfassung, ebenso wie Professor Mayer und weitere Universitätsprofessoren, aber unter anderem auch Heinz-Christian Strache von der FPÖ-Wien und auch ein Landeshauptmann in Österreich.

Es ist für viele kein Nein zu Europa, sondern ein Nein zu jenem allzu selbstver­ständ­lichen Ja, von dem die Europapolitiker ausgehen. Das von oben herab gewollte Europa, eine gut gemeinte Simulation einer Elite, muss ab und zu plebiszitär auf die Realitätsebene der Völker hinunter projiziert werden. Statt vom Staatsbürger und Volk hinauf in die politischen Instanzen führt der Weg von oben mit rhetorischen Fragen immer öfter hinab. Europa ist nur eine Episode jener Tendenz kollektiven Souveräni­tätsverlustes, der die Völker zu Statisten des ritualhaften Ja-Sagens und den Staats­bürger zur Geisel des Machtspiels macht. Das ist eine demokratische Form des Staatsterrorismus. Ich kann es nicht anders bezeichnen.

Allein schon die Präambel zu diesem Verfassungsvertrag ließe sich langatmig philo­sophisch abhandeln. Aber das will ich heute hier nicht tun. Schon ihr erster Absatz beginnt mit allgemeinen Floskeln. Da heißt es: „Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte der Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben“ ... – Warum nennt man es nicht beim Namen, worum es hier konkret geht? Warum sagt man nicht: Schöpfend aus dem kulturellen Erbe Europas, der Antike und dem Humanismus des Christen­tums, der im Laufe der Geschichte zu den Grundsätzen von Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit führte?

Man wird vielleicht einwenden, dass sich heute die Menschen vom Christentum und damit von der Gottesliebe entfernt haben. Aber man sollte dann wenigstens der Wahrheit die Ehre geben und sagen, dass es das Christentum war, in dem der moderne Humanismus seine historischen Wurzeln hat, womit man zugleich zum Nachdenken darüber anregt, ob es weise war, dies verdrängen zu wollen, anstatt sich damit auseinander zu setzen.

Wie viele Widersprüche gibt es zu diesem Europa, zur EU, zur Verfassung? Wie viele Minister und Abgeordnete haben diese Verfassung auch wirklich gelesen? Wer bislang zustimmte, tat dies meist aus parteipolitischer Raison oder aus pragmatischen Überlegungen. Ich will niemandem absprechen, dass der eine oder andere diese Verfassung auch wirklich gelesen hat, aber ich gebe zu, es ist eine Aufgabe – eine harte Aufgabe! –, diese Verfassung zu lesen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Manche meinen, ein Nein in Frankreich oder anderswo hätte zur Folge, dass die EU mit dem missratenen Vertragswerk von Nizza weiterwursteln müsse. – Eine zwar zu­tref­fende, aber angesichts des voluminösen und kaum lesbaren neuen Vertragswerkes nicht besonders überzeugende Begründung.

Wie bei den vorangegangenen Änderungen des heutigen EG-Vertrages fand eine intensive Diskussion über die Finalität der EU nicht statt – und es ist das auch mit dem neuen Vertrag offen. Erst im Juni oder Juli dieses Jahres will Nationalratspräsident Khol Europa gewidmete Sitzungen im Nationalrat abhalten. – Danke vielmals, Herr Präsident! Etwas spät, muss ich aber sagen.

Manche, nein: viele, üben Kritik an Zentralisierung und Überregulierung. Und das ist durchaus berechtigt. Brüssel gilt zunehmend als Synonym für andere Angstvokabel wie


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