Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 25

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Europa der Fall ist –, kann, so Kant in seiner Rechtslehre, keine rechtsmäßige Verfas­sung entstehen.

Der mächtigste Verbündete dieses Europa sind big business und Hochfinanz. Dieses monetär subventionierte und egalisierte Währungseuropa bietet den standortbeweg­lichen Großkonzernen und Finanzinvestoren weit größere Globalisierungsvorteile als der große Weltmarkt mit seinen nach wie vor drohenden Währungs- und Finanzrisiken.

Diesbezüglich anerkenne ich – da zu Recht geäußert – die Bedenken mancher Kirchen­vertreter sowie vieler Sozialpolitiker, aber auch die Bedenken manch anderer. Und ich erwähne in diesem Zusammenhang Heinz-Christian Strache, aber auch viele sozialdemokratische Politiker sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Das große Kapital wandert mit Produktions- und Arbeitsplätzen aus, während der an den Standort Österreich gebundene Mittelstand – der ohnehin schon ausgezehrte Mittelstand! – die Zeche der sich eintrübenden Konjunkturaussichten zahlt.

Der Mittelstand kann nicht auswandern, verliert aber fortwährend Nachfrage, Kund­schaft und Wettbewerbsvorteile. Österreich wird für seine noch immer hohe Produk­tivität gestraft und kann – wegen der Billigkonkurrenz armer EU-Länder – seinen hart erarbeiteten hohen Lebens- und Sozialstandard nicht mehr aufrecht­erhalten. Gleich­zeitig wandern, angelockt vom doch noch beträchtlichen Wohlstand bei uns, billige Arbeitskräfte aus den neuen Niedriglohnländern der östlichen EU-Peripherie ein.

Der Arbeitsmarkt, das sensibelste aller Konjunkturbarometer, zeigt unmissverständlich an, wie es um die Zukunft bestellt ist. – Sehr, sehr düster.

Wann endlich wird Politikern – wie das alle Mittelständler wissen – klar sein, dass dieses Europa die marktwirtschaftlichen Gesetze auf den Kopf stellt und der Markt­wirtschaft jegliche soziale Dimension nimmt?! Dem Volk werden Wohlstandsopfer abverlangt, die weder nötig noch zu verantworten sind.

Europas Völker haben nicht Demokratie, Rechts- und Sozialstaat erkämpft, um sie in einem Superstaat der Bürokraten und Krisen zu verlieren!

Dieser Verfassungsvertrag wird einen europäischen Bundesstaat schaffen und die existentielle Eigenstaatlichkeit Österreichs weitgehend einschränken.

Daher: Einen solchen Schritt kann nur das Volk selbst gehen! Deshalb ist die Lesung eines Gesetzes, mit dem einem solchen Vertrag zugestimmt wird, verfassungs- und, wie ich meine, auch staatswidrig.

Ich möchte noch auf einen signifikanten Aspekt hinweisen, und zwar auf die Sprache dieses Vertragswerkes. Bisher haben die Verträge die Sprache des Völkerrechts benützt, jene Sprache also, in der Staaten miteinander verkehren. – Dieser Verfas­sungsvertrag hingegen spricht die Sprache des Staatsrechts, also die Sprache, in der ein Staat sozusagen verfasst wird.

Es geht folglich nicht mehr um den Verbund von Staaten, sondern um eine Integration zu einem Staat, Kollegen und Kolleginnen! Mit diesem gesamten Vertrag und den, ebenfalls verbindlichen, Nebentexten – Protokollen, Erklärungen und so weiter – geht man den Schritt über den Rubikon vom europäischen Staatenverbund hin zum euro­päischen Bundesstaat.

Der Vertragstext regelt die Organisation des Bundesstaates. Er beschreibt typisch bundesstaatliche Zuständigkeiten, nämlich ausschließlich Zuständigkeiten für die Währungsunion und die Handelspolitik sowie geteilte Zuständigkeiten für fast alle Bereiche des Lebens, insbesondere den Binnenmarkt; ebenso die Sozial-, die Wirtschafts-, die Umweltpolitik, den Verbraucherschutz, die Verkehrs- und


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite