Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 27

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ausgegangen sind. Was nützt das herrlichste Land, was nützen die schönsten Landschaften, die besungen werden, was nützen die blühenden Städte und Gemein­den, die traumhaften Straßen und Plätze unseres Landes, was nützen innovative Betriebe, Beschäftigung, Wohlstand und Sicherheit, wenn alles durch Kriege in Schutt und Asche fällt?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein berühmter Sozialdemokrat, nämlich kein geringerer als Karl Renner, hat am 26. November 1909 in diesem Hause hier gesagt: Nationen werden immer miteinander streiten. Sie werden mit Heugabeln aufeinander losgehen, sie werden sich die Fenster der Häuser, in denen sie wohnen, einschlagen. Aber es ist ein Unterschied, wie man Konflikte austrägt und wie man miteinander streitet: ob man das auf dem Schlachtfeld macht und Menschen aufeinander zutreibt mit dem Ziel, einander zu vernichten, oder ob man am grünen Tisch die Themen erörtert und die Konflikte austrägt mit dem Ziel, gute Lösungen für das Land und für Europa herbeizuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Renner hat Recht gehabt! Und wir haben aus der Geschichte gelernt. Die neue Verfassung für Europa ist quasi eine Betriebs­anleitung für den Wiedereintritt Europas in die Weltgeschichte – so würde ich das bezeichnen. Und Europa ist immer in Bewegung! Bundeskanzler Schüssel hat einmal gesagt, Europa ist ein fahrendes Laboratorium. Und wir sind die Laboranten! Mir fällt in diesem Zusammenhang ein Spruch ein, der auf der Turmuhr von Herzogsdorf, einer Gemeinde im Mühlviertel, steht, der nicht dazu geeignet ist, für das Sprichwort von der „Kirchturmpolitik“ herzuhalten. Dort steht nämlich: „Wir sind die Zeit“. – Sind wir gut und arbeiten wir gut, sind die Zeiten gut! Und wenn wir diese Verfassung mit gutem Geist erfüllen, mit positiven Problemlösungen und mit klaren Perspektiven für Europa, dann braucht uns um die Zukunft eigentlich nicht bange zu sein.

Ich stimme mit Kollegem Konecny überein, der gesagt hat: Diese Verfassung ist ein Rahmen. Wir müssen ihn ausfüllen mit verschiedenen Politiken, mit den besten Vorschlägen, die es für diesen Kontinent gibt, mit den besten Ideen, und wir sollen dafür in einen Wettbewerb eintreten. Es liegt an uns: „Wir sind die Zeit“! Und wenn wir gut sind und gute Ideen haben und diese umsetzen, werden auch die Zeiten für Europa sehr, sehr gut werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa behauptet sich mit dieser Verfassung als ein sehr pragmatischer Interessenverband, der von diesen guten Ideen zusam­mengehalten wird. Ich glaube, wir sollten diese Verfassung für Europa auch nicht überfrachten und alles, was gut und teuer ist, in sie hineinstopfen, weil wir sonst die Erwartungen, die Sehnsüchte und Hoffnungen der Europäerinnen und Europäer und unserer Bürgerinnen und Bürger nicht erfüllen können. Ich denke, diese Verfassung ist ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung.

Ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei allen Beteiligten in allen Parteien, die im Konvent, im Europäischen Parlament, bei allen Diskussionsrunden in allen Gremien bis hinauf in die Regierungskonferenz dazu beigetragen haben, dass wichtige österreichi­sche Anliegen in dieser Verfassung auch enthalten sind. Das ist keine Selbstver­ständlichkeit! Wir haben hier unsere Arbeit geleistet, und die ist gut geleistet worden. Ich bedanke mich dafür beim Bundeskanzler als Chef unserer Regierung und bei der Außenministerin für alle, die hier mitgewirkt haben.

Ich erinnere nur an die Verankerung des Minderheitenschutzes und des Grundsatzes der Gleichheit von Frauen und Männern sowie der Nichtdiskriminierung im Werte­katalog, die ausdrückliche Verankerung des Prinzips der Gleichheit der Mitglied­staaten. Die Kontrolle rechtsverbindlicher Beschlüsse des Europäischen Rates durch den Europäischen Gerichtshof wäre ohne österreichische Einflussnahme nicht in diese


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