Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 32

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Argument sein, eine Diskussion nicht zu beginnen oder nicht zu führen. Das wird einem auf den Kopf fallen, das wird dazu führen, dass Ressentiments und Vorurteile köcheln und dann irgendwann explodieren, aber sicher nicht dazu führen, dass es eine Auseinandersetzung mit Europa gibt, dass es positive Ideen gibt, wie Österreiche­rinnen und Österreicher sich wünschen, dass sich die Europäische Union weiterent­wickeln sollte. Das ist Diskussionsverweigerung. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Gudenus, der jetzt nicht im Saal ist, hat mir wieder das eine oder andere Stichwort geliefert, worauf ich doch eingehen möchte. Er hat zum Beispiel die Verdoppelung der Entwicklungshilfe wörtlich bezeichnet als ein „Übel“, das er sich aus Brüssel erwartet. Es waren zu diesem Zeitpunkt nicht sehr viele Menschen im Saal, was ich übrigens positiv finde, dass man sich nicht alles anhören muss. Diese Aussage, dass die Verdoppelung der Entwicklungshilfe ein Übel sei, das er aus Brüssel erwartet, zeigt für mich wieder einmal sehr klar, dass sein soziales Gewissen bei der Staatsgrenze endet. Und sein soziales Gewissen strapaziert er ja immer wieder. Das kann nicht sehr ernst gemeint sein, wenn es sich nur auf die Staatsbürger bezieht. Soziales Gewissen müsste man schon auch über Grenzen hinweg empfinden können. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Im Übrigen nehme ich es mit Bedauern, aber nicht mit Überraschung zur Kenntnis, dass er es auch heute nicht geschafft hat, die nötige Konsequenz aus seinen inakzeptablen Äußerungen zu ziehen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber in den letzten Wochen bin ich doch sehr oft, öfter als sonst, auf den Bundesrat ange­sprochen worden und eigentlich fast immer in der Art: Was ist denn bei euch passiert? Was ist denn bei euch los? – Das ist nichts, was den Bundesrat positiv weiterbringen wird, und ich hoffe – die Hoffnung stirbt zuletzt –, dass es doch noch irgendwann zu den nötigen Konsequenzen kommen wird. Es sind ja auch die Wiener Landtagswahlen nicht mehr in weiter Ferne.

Zurück zur Verfassung. Es gibt in der Verfassung, die wir heute beschließen, durchaus eine Reihe von sehr positiven Punkten: die Verankerung der Grundrechte, die Definie­rung sozialer Rechte als Menschenrechte, ein Diskriminierungsverbot, um nur einige für mich besonders wichtige zu nennen. – Und es gibt eine Reihe von negativen Punkten.

Aber letztendlich ist der vorliegende Vertrag ein absoluter Fortschritt gegenüber Nizza, und es ist ein nötiger Schritt, um weitere Verbesserungen zu ermöglichen, weitere Verbes­serungen, die für mich nötig wären, um ein wirklich begeistertes Ja zu dieser Verfassung sagen zu können. So sage ich nicht begeistert, aber pragmatisch und trotz allem überzeugt ja zu dieser Verfassung, die uns heute vorliegt, denn die Verträge von Nizza sind keine Alternative. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Plassnik das Wort.

 


11.09.25

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Herr Präsident des Ausschusses der Regionen! Herr Präsident des Bundesrates! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte auf einige Punkte hinweisen, die mir als Außenministerin an dieser neuen Europäischen Verfassung besonders wichtig sind.

Zunächst: Es ist das erste gemeinsame Werk, der erste gemeinsame Verhandlungs­erfolg der 25, des neuen, wieder vereinten Europas. Und ich glaube, das geht über eine Symbolwirkung hinaus, hier kommt etwas zum Ausdruck, was ein Novum in der


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