Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 36

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Und schließlich drittens: eine gleichzeitige, parallel laufende Koordination mit dem Nationalrat, um bei Bedarf einen gemeinsamen Standpunkt erarbeiten zu können, weil unschwer vorauszusagen sein wird, dass nur ein solcher gemeinsamer österreichi­scher Standpunkt erfolgreich vertreten werden kann.

Die Landtagspräsidentenkonferenz wird sich Mitte Juni neuerlich mit diesem Thema befassen, und auch wir haben in der letzten Präsidialkonferenz in Aussicht genommen, uns bald mit dieser Herausforderung auseinander zu setzen.

In einzelnen Debattenbeiträgen wurde es als notwendig angesehen, über den heute zur Diskussion stehenden Verfassungsvertrag eine Volksabstimmung durchzuführen und die Ablehnung des Vertrages damit begründet, dass eine solche Volksabstimmung nicht in Aussicht genommen sei.

Dazu ist zweierlei zu sagen: Nach dem klaren Wortlaut des Bundes-Verfassungs­gesetzes sind Volksabstimmungen nur über Gesetzesbeschlüsse, nicht aber über Staatsverträge möglich; insoweit – und das hat Herr Professor Böhm ja redlicherweise eingeräumt – geht die Kritik ins Leere. Es ist also in gewisser Weise die Gegenstimme ein Protest gegen die Rechtsordnung. Möglich gewesen wäre eine Volksabstimmung nur über das vor wenigen Wochen beschlossene und die Grundlage für den heutigen Beschluss bildende Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa, das so genannte Ermächtigungsgesetz.

Ein vergleichbares Bundesverfassungsgesetz wurde 1994 anlässlich unseres EU-Beitritts bekanntlich einer Volksabstimmung unterzogen, weil mit dem Beitritt unaus­weichlich eine Gesamtänderung der Bundesverfassung verbunden war.

Dass der europäische Verfassungsvertrag, über den wir heute debattieren, eine neuerliche Gesamtänderung der bereits beschlossenen seinerzeitigen Gesamtände­rung unserer Verfassung darstelle, vermag ich nicht zu sehen, wenngleich ich res­pektiere, dass eine namhafte Zahl von Fachleuten – Herrn Professor Böhm zähle ich durchaus auch dazu – der Meinung ist, dass das eine tiefer greifende Verfassungs­änderung wäre, als das von Bundesregierung, Nationalrat und auch Bundesrat ange­nommen wird; den Herrn Bundespräsidenten nicht zu vergessen.

Tatsache ist jedenfalls, dass sowohl die Beschlussfassung als auch die Kundmachung der Rechtsgrundlage für den heutigen Beschluss bisher rechtlich völlig unbeeinsprucht blieb. Unabhängig von der Geltendmachung einer die Volksabstimmung auslösenden Gesamtänderung, die man ja als Mangel dieser Kundmachung sehen könnte, hätte ja auch die Möglichkeit bestanden, zu betreiben, dass nach Artikel 44 Absatz 1 B-VG der Nationalrat eine Volksabstimmung beschließen oder nach Artikel 44 Absatz 3 ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates eine solche verlangen möge. Auch dieses ist, wenngleich von Herrn Professor Böhm und von Herrn Kollegen Gudenus seinerzeit angesprochen, unterblieben, auch von den Genannten selbst. Mir ist jedenfalls keine Initiative bekannt geworden, bei einem Drittel der Mitglieder des Bundesrates Unterschriften für ein solches Verlangen zu finden.

Für den Bundesrat vermerkt das Protokoll über die 719. Sitzung vom 17. März dieses Jahres einhellige Zustimmung. Die heute kritisierte Rechtslage, die eine Volksabstim­mung über den Staatsvertrag nicht ermöglicht, ja geradezu ausschließt, ist also selbst herbeigeführt worden. Wenn ich vorhin gemeint habe, die heutige Kritik gehe ins Leere, so muss ich mich berichtigen: Sie trifft ins eigene Tor.

Ich fasse zusammen: Sowohl in der Konsequenz des eigenen Standpunktes als auch in der Vertretung der Interessen meines Landes und der Länder insgesamt komme ich auch nach den vorangegangenen Diskussionsbeiträgen zu keinem anderen Ergebnis, als dem Vertrag über eine Verfassung für Europa mit noch festerer Überzeugung als


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite