Bundesrat Stenographisches Protokoll 722. Sitzung / Seite 82

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das Liberale Forum dagegen polemisierte, aber dessen parlamentarische Existenz ist ohnehin bereits Geschichte. (Bundesrat Ing. Einwallner: Es gibt würdige Nachfolger!)

Was hingegen den Bestandsschutz für ein differenziertes, also gegliedertes Schulwe­sen auf allen Ebenen, also auch in der Unterstufe, anlangt, treten wir eindeutig dafür ein. Offen spreche ich aus, weshalb wir dafür plädieren. Ich räume schon ein, dass das BZÖ darüber nicht glücklich war und dass vor allem die von ihm geprägte Schulpolitik in Kärnten zwar nicht gerade die undifferenzierte Gesamtschule, aber doch eine gemeinsame Schule für alle Sechs- bis Vierzehnjährigen favorisiert. Wir Freiheitlichen denken hier aber ganz anders. Nicht nur unser langjähriger Bildungsreferent, Professor Grillmayer, hat die Gesamtschule stets entschieden abgelehnt, Gleiches gilt für unser Partei- und unser Bildungsprogramm. Bis heute hält die FPÖ Wien und jetzt auch die Bundes-FPÖ daran fest. Das kommt vornehmlich in den klaren Stellungnahmen unse­rer Stadtschulratsvizepräsidentin Monika Mühlwert, unserer ehemaligen Bundesrats­kollegin, klar zum Ausdruck.

Gewiss ist die als politischer Kompromiss gefundene Formulierung – da gebe ich Vor­rednern schon Recht – einer angemessenen Differenzierung des Sekundarschulwe­sens ein so genannter unbestimmter Rechtsbegriff. Das heißt, die so umschriebene normative Vorgabe ist konkretisierungsbedürftig. Das könnten und sollten aber gerade jene Kritiker akzeptieren – und da verstehe ich die Kollegen von der grünen Fraktion nicht ganz –, die für eine Ausweitung von Schulversuchen eintreten, die in die Richtung der gemeinsamen Schule oder gar der Gesamtschule gehen.

Umgekehrt wäre es aus meiner Sicht durchaus problematisch gewesen, hätte man es dem einfachen Gesetzgeber ohne weiteres freigestellt, je nach wechselnder Regie­rungskonstellation und parlamentarischer Mehrheit mit einem Federstrich die verpflich­tende Gesamtschule einzuführen und – ich sage es fairerweise dazu – gegebenenfalls auch wieder abzuschaffen. Sollten sich entsprechende Schulversuche in der Praxis tatsächlich als erfolgreiches Modell bewähren, müsste man ernsthaft überdenken, in­wieweit sie in das Regelschulsystem aufzunehmen sind.

Ich will da gar keine ideologischen Barrieren aufrichten oder heilige politische Kühe pflegen, aber eines werden mir alle Verfechter der Gesamtschule zugestehen müssen: Nicht nur als für die dort erlangte Bildung höchst dankbarer Absolvent eines huma­nistischen Gymnasiums, sondern weit mehr als langjähriger Universitätslehrer in einem Fachbereich, der sowohl zutiefst sprachgebunden ist als auch historischer und ethisch-philosophischer Perspektiven bedarf, weiß ich um den Wert der AHS. Deren Qualität kann aber meines Erachtens nicht voll ausgeschöpft werden, wenn sie sich auf die Oberstufe beschränkt. Eine vollwertige AHS-Unterstufe scheint mir daher ebenso unentbehrlich zu sein. Will man auf den hohen Kulturwert des altsprachlichen Zweiges des Gymnasiums nicht gänzlich verzichten – es mag ein Minderheitenprogramm
sein –, so kann man sinnvoll mit dem Lateinunterricht wohl nicht erst in der 5. oder einer noch höheren Schulklasse beginnen. Von Griechisch rede ich erst gar nicht, um nicht als reines Fossil und reaktionäres Relikt zu gelten. Nicht zuletzt in einem zusam­menwachsenden Europa, hier als Sprach- und Kulturraum verstanden, müsste Latein geradezu als Grundlage und als das einigende Band gewürdigt werden. Hierin könnte man auch von der katholischen Kirche in ihrer geschichtlich wohl kaum überbietbaren Tradition lernen, wie immer man sonst zu ihr stehen mag.

Mit diesem Plädoyer für ein auf allen Ebenen und Stufen, äußerlich wie auch innerlich differenziertes, gegliedertes Schulwesen beschließe ich meine Darlegungen unserer bildungspolitischen Motive, diesem bahnbrechenden Gesetzesvorhaben aus voller Überzeugung zuzustimmen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.19

 


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