Nun zum so genannten Anlassgesetz, das trotz aller politästhetischen Bedenken von nahezu allen als notwendig erachtet wurde, insbesondere auch vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes.
Ein kleiner Gedanke zum Thema Anlassgesetz: Für jedes Gesetz sollte ein Anlass bestehen. Hier gab es einen besonders dringlichen Anlass. In den letzten Jahren haben wir bisher nur eine – zumindest für mich nachvollziehbare – die Institution des Bundesrates direkt betreffende Verfassungsänderung beschlossen. Sie erfolgte 2003 und brauchte 83 Jahre. Aus den „Ersatzmännern“ für Bundesratsmitglieder wurden richtigerweise im Art. 35 Abs. 1 „Ersatzmitglieder“, was, glaube ich, eine längst überfällige Regelung war.
Die heute erfolgende Neuregelung betreffend den Vorsitzenden des Bundesrates ist auch aus föderalistischer Sicht sachgerecht. Nach der Ausschusssitzung am letzten Dienstag hat uns der Vertreter des Bundeskanzleramtes, Verfassungsdienst, Mag. Lanner, in einem Gespräch darauf aufmerksam gemacht, dass schon im ersten Kommentar zur Bundesverfassung von Kelsen zur Frage der Vorsitzführung der ganz besonders wichtige föderalistische Aspekt dargelegt wurde.
Ich darf aus diesem Kommentar, den mir Mag. Lanner heute dankenswerterweise mitgebracht hat, folgende Sätze zitieren – Kelsen –:
„Die Regelung des Vorsitzes im Bundesrate hat extrem föderalistischen Charakter. Dem Land kommt der Vorsitz zu und nicht einer einzelnen Person als solcher. Nur als Repräsentant des Landes übt der jeweils Vorsitzende diese Funktion aus. Alle Länder haben auf den Vorsitz das gleiche Recht ohne Rücksicht auf ihre Größe. Sehr im Widerspruch zur Art der Vertretung der Länder im Bundesrat ist hinsichtlich des Vorsitzes das Prinzip der arithmetischen Gleichheit der Bundesländer durchgeführt.“
Das ist eine Frage, die uns immer wieder beschäftigt hat: ob nicht alle Länder gleich viele Bundesräte stellen sollten. Also das wird hier auch ausdrücklich festgestellt. – Ich zitiere weiter:
„Zur Besetzung der Stelle des Vorsitzenden bedarf es keines besonderen Berufungsaktes: Die Person des Vorsitzenden ist unmittelbar durch das Gesetz bestimmt. Die diesbezügliche gesetzliche Norm knüpft an die Vorschrift an, daß die Wahl in den Bundesrat nach dem Proporzsystem erfolgt. Dabei wird von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Parteien des Landtages für diese Wahl eine Liste aufstellen, so wie dies für die Wahl zum Nationalrat statuiert ist.“
Ich mache es etwas ausführlicher, weil ich zu einem kleinen Teil einer Änderung komme, die in der öffentlichen Diskussion gar nicht so bewusst geworden ist, die aber auch mit der heutigen Novelle mit geregelt wird.
„Der an erster Stelle in derjenigen Liste verzeichnete Kandidat, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt hat, übt für das Land den Vorsitz aus. Damit ist zugleich gesagt, daß die relativ stärkste Partei im Landtage zugleich mit der größten Zahl der Bundesratsmandate auch das Recht auf den Vorsitz hat, wenn das Land an die Reihe kommt. Den Fall, daß zwei gleich starke Parteien bei der Wahl der Bundesratsvertreter an erster Stelle stehen, regelt die Verfassung nicht.“
Durch die heutige Verfassungsänderung wird dies so geregelt, wie es eigentlich im Kommentar vorher beschrieben wird: Wenn es Mandatsgleichstand gibt – wir haben einen solchen Fall auch schon gehabt –, entscheidet die Stimmenstärke, und wenn es auch Stimmengleichstand gibt, gilt die Losentscheidung. Damit ist auch hier klargestellt, wie in diesem Fall der Modus zu treffen wäre.
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