Ich glaube, es ist ein wohl durchdachtes föderalistisches Prinzip. Es wurde oft in Diskussion gezogen, dass eine halbjährige Vorsitzführung zu kurz sei. Ich glaube, wenn man neun Bundesländer hat und es damit ermöglicht wird, dass innerhalb einer Legislaturperiode, sowohl des jeweiligen Landtages als auch der ersten Kammer des Hauses, eine Vorsitzführung der einzelnen Bundesländer erfolgen kann, ist dies auch ein wichtiges Zeichen der Gleichwertigkeit aller Bundesländer.
Wenn ich an dem Prinzip festhalten möchte, nämlich dass das jeweilige Bundesland entscheiden soll, wer den Vorsitz führt, dann muss ich die Entscheidung den Landtagen überlassen und kann sie nicht an den Bundesrat delegieren, der den Mehrheitswillen eines Bundeslandes konterkarieren könnte. Insofern war der Vorschlag der Grünen aus meiner Sicht gut gemeint, aber aus föderalistischer Sicht nicht zielführend.
Der in der Nationalratsdebatte eingebrachte Vorschlag der SPÖ hätte implizit auch die Abschaffung des freien Mandates bewirkt, wenn ein Bundesrat gegen seinen Willen abberufen werden könnte.
So war der Vorschlag, auf den sich dann
alle vier Parlamentsparteien
im Nationalrat einigen konnten und der von der Volkspartei ausgearbeitet wurde,
die wirklich föderalistisch sachgerechte und konstruktive Lösung zu diesem
Thema.
Ich darf zum
Thema freies Mandat eine kleine, persönlich differenzierte Anmerkung machen.
Einerseits steht das freie Mandat immer in einem gewissen Spannungsverhältnis
zur so genannten Fraktionsdisziplin, andererseits ist es gerade diese Fraktionsdisziplin,
die im Bundesrat meistens zur Abstimmung entlang der Parteigrenzen und nicht
entlang der Ländergrenzen führt.
Persönlich könnte
ich mich durchaus damit anfreunden, dass in speziellen Fällen ein gebundenes
Mandat seitens des Landes zu erfüllen wäre, etwa auf Basis eines qualifizierten
Landtags- oder Landesregierungsbeschlusses – es hat bekanntlich schon ähnliche
Passagen in Regierungsprogrammen und Entschließungen gegeben, die hier in
diesem Haus gefasst wurden –, noch dazu, wo ein Mitglied des Bundesrates
nicht direkt vom Volk gewählt wird wie ein Nationalratsabgeordneter oder ein
Landtagsabgeordneter, wo ich das freie Mandat ganz besonders anerkenne,
sondern ein Mitglied des Bundesrates meist genauso gewählt wird wie ein
Mitglied einer Landesregierung.
Wir fassen heute einen im Interesse des Ansehens des Bundesrates, der Republik und der Politik in Österreich wichtigen Beschluss. Er bringt, wie ich schon gesagt habe, zusätzliche Klarstellungen, wer als Nummer eins das Bundesland vertritt, und auch grammatikalische Berichtigungen, nämlich im Zusammenhang mit der Funktion der Vizepräsidenten: Da wurde bis jetzt die Einzahl verwendet, jetzt wird das im Plural dargestellt.
Der heutige Beschluss – Sie gestatten, dass ich abschließend noch zwei, drei Gedanken dazu ausführe – sollte aber, und das hat der Herr Präsident auch in seiner Erklärung angesprochen, Anstoß sein für weiterführende mögliche Reformschritte zur Stärkung des Bundesrates. Denn Bundesstaat und Bundesrat sind, wie wir wissen, seit Beginn der Republik, des Bundesstaates Österreich im Jahr 1920 ein unbefriedigender Kompromiss. Alle Redner in der Sitzung, in der die Bundesverfassung Ende September 1920 beschlossen wurde, machten darauf aufmerksam. Der sozialdemokratische Redner hat damals in aller Offenheit gesagt – es hat sich die Position mittlerweile wesentlich gewandelt, aber ich muss darauf hinweisen, weil das ja ab ovo unser Problem ist; ich zitiere –:
„Und wenn wir auch den Bundesrat überhaupt für eine überflüssige Einrichtung halten: da er nicht zu vermeiden war, ist er hier in seiner Kompetenz doch auf ein Minimum beschränkt und wird die Gesetzgebung nicht zu verhindern vermögen.“
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