Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 40

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sich gerade in jenem Jahr, das Österreich ausdrücklich dem Gedenken gewidmet hat, Politiker in aller Öffentlichkeit zu jenen Lügen, Verdrehungen und Verfälschungen der Vergangenheit bekennen, deren gemeinsames Ziel es ist, die blutigste Geißel des 20. Jahrhunderts, den Nationalsozialismus, schönzureden!

Kollege Hösele hat im Wesentlichen über die Stellung des Bundesrates gesprochen; das ist nicht meine Absicht, denn diese Novelle ist nicht das Ergebnis eines Nach­denkprozesses über die Stellung und die Zukunft unserer Kammer, sondern lediglich ein Reagieren auf ganz konkrete politische Vorfälle. Ich kann nicht über diese Verfas­sungsänderung sprechen, ohne auch heute entscheidend auf den Anlass und die Vor­geschichte hiezu einzugehen. Und damit muss ich über zwei Mitglieder dieses Hauses sprechen – und nicht nur über jenes eine, das von dieser Verfassungsänderung betroffen ist. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Bundesrat Gudenus, der es – aus welchen Gründen immer – vorgezogen hat, hier heute nicht zu erscheinen, hat zwar nicht im Bundesrat, aber in aller Öffentlichkeit die Existenz von Gaskammern als Mittel der nationalsozialistischen Massenvernichtung in Zweifel gezogen. Und er hat dann noch die dümmliche Bemerkung hinzugefügt, Gas­kammern hätten „nicht im Dritten Reich“ existiert, sondern „nur in Polen“. – Das ist erstens schlichtweg falsch und ignoriert zweitens die unleugbare Tatsache, dass jene Gaskammern, die tatsächlich auf dem Gebiet des heutigen Polen in Betrieb waren, dort von den Vertretern eben jenes Dritten Reiches hingebaut wurden.

Bundesrat Kampl hat Deserteure aus der Wehrmacht des nationalsozialistischen Deutschland als „teilweise Kameraden-Mörder“ diffamiert und von einer „brutalen Nazi­verfolgung“ nach 1945 gesprochen, und er hat das mit seinem persönlichen Schicksal verknüpft. So wie Gudenus hat auch Bundesrat Kampl in der Öffentlichkeit danach deutlich gemacht, wie sehr er – allenfalls mit kleinen sprachlichen Korrekturen – zum Inhalt dieser Äußerungen steht.

In diesem Zusammenhang hat mir Bundesrat Kampl eine sehr unwillkommene Ehre angetan, indem er mich zum Zeugen für seine Haltung aufgerufen hat, hätte doch ich selbst dazu aufgefordert, so Bundesrat Kampl, die so unterschiedlichen und leidvollen Schicksale einmal auszusprechen. – Ja, dazu habe ich tatsächlich aufgefordert, aber es ist der Schmerz, der ausgesprochen werden muss, um überwunden zu werden –nicht aber der Hass, der auch noch falsche Schuldzuweisungen mit transportiert! (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Kampl, Sie sind wahrlich alt genug, um jene Geschichten, die man Ihnen in Ihrem Milieu erzählt hat, endlich einmal auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) So, wie die historische Forschung jenen von Ihnen behaupteten Vorfall am Eismeer nicht kennt, bei dem angeblich Überläufer ihre Kameraden getötet haben sollen, werden Sie auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Lebensgeschichte Ihres Vaters eine andere ist als die, die er Ihnen und die Sie uns erzählt haben!

Diese Einsicht mag sehr schmerzlich sein für Sie, Herr Bundesrat Kampl, das verstehe ich, aber: Wir können nicht die Wahrheit vergewaltigen, um Sie vor Schmerz zu be­wahren! Die Akten, die inzwischen auch Sie kennen sollten, beweisen etwas ganz anderes: Ihr Vater war illegaler Nazi. Einen politischen Fehler zu begehen – wenn man ihn richtig stellt – ist nichts, was einen Menschen schändet. Ihr Vater, Herr Bundesrat Kampl, war nach 1938 ein, nach Aussagen der Ortsbewohner, nicht sehr umgänglicher Ortsgruppenleiter. Und er war vor allem eines: ein Denunziant. Er hat einer ehrlichen Frau eine viermonatige Haftstrafe nach dem „Heimtückegesetz“, eben durch seine De­nunziation, „besorgt“ – und diese Frau konnte von Glück reden, dass sie nicht ins KZ kam, sondern „nur“ im Gefängnis gelandet ist!

 


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