Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 46

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Gegen eine solche Neuregelung wäre überhaupt nichts einzuwenden. Zu hinterfragen ist dabei, ob sich die Entsendung von Mitgliedern, gemeint als Listenerste, etwa bisher nicht an der künftig vorgesehenen Funktion und Position orientiert hat. Das wäre ja dann eine dem Landtag beziehungsweise, präziser gesagt, der entsendenden man­datsstärksten Fraktion zuzurechnende Fehlleistung gewesen. Das musste man sich auch schon bisher überlegen.

Sachpolitisch vertretbar wäre in diesem Zusammenhang nach meinem Dafürhalten auch durchaus der Vorschlag der Grünen, den Bundesrat selbst mit qualifizierter Mehr­heit, natürlich pro futuro, in eine solche Entscheidung zumindest mit einzubinden. Natürlich muss das letzte Wort beim betreffenden vorsitzführenden Land liegen.

Hier und heute geht es aber darum, das in einem aktuellen Fall bereits gegenwärtig durchzuziehen, nämlich die nachträgliche Umreihung. Darin sehe ich indes, wie schon gesagt – und das ist für mich verfassungspolitisch unvertretbar –, einen legislativen Akt mit einem gewissen rückwirkenden Charakter – das zwar nicht im Sinne einer absolu­ten Rückwirkung mit voller Eingriffsintensität, weil damit nicht in eine bereits erworbe­ne, angetretene Rechtsposition eingegriffen beziehungsweise diese aberkannt werden soll, aber doch mit einer relativen Rückwirkung in dem Sinne, dass in eine ex lege, hier sogar ex constitutione bereits anwartschaftlich erlangte Rechtsposition nachträglich, und zwar unmittelbar vor ihrer Realisierung, und das ohne jeden Zweifel mit Absicht, eingegriffen werden soll.

Mit der in einer langjährigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs erarbeiteten Recht­sprechung zum Vertrauensschutz ist das jedenfalls unvereinbar. Die realistischen Chancen einer Anfechtung des Betroffenen vor dem Verfassungsgerichtshof, die ihm offen bleibt, möchte ich bewusst nicht kommentieren – auch deshalb, weil wir heute eine an sich verfassungswidrige Regelung mit einem formellen Verfassungsgesetz immunisieren, das heißt der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entziehen.

Indirekt – zumindest dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Sanktion für politisch unerwünschtes Verhalten gesetzt werden soll – greift ein solches verfassungsrecht­liches Sondergesetz auch in das freie Mandat ein. Ich hebe nochmals hervor: auch das wohl eher indirekt, nicht geradezu direkt.

Einen solchen Umgang mit der Verfassung lehnen alle akademischen Lehrer als rechtsstaatswidrig ab. Wovor ich aber im Hörsaal einer rechtswissenschaftlichen Fakul­tät warnen muss, das kann ich auch im Hohen Haus nicht glaubhaft vertreten, ist ja jeder Abgeordnete den Gesetzen und vor allem der Verfassung der Republik, aber auch seinem demokratiepolitischen Gewissen verpflichtet.

Allerdings steht für uns außer Streit, dass ein breiter politischer Konsens mit ver­fassungsändernder Mehrheit darüber herrscht, eine solche Verfassungsänderung zu beschließen. Das gilt auch für unseren Koalitionspartner, und es trifft nicht zuletzt auch auf die freiheitliche Nationalratsfraktion, mit Ausnahme der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, zu. Das anerkennen und respektieren auch wir freiheitlichen Bundesräte, und zwar aus allgemeinpolitischen, aus staatspolitischen Erwägungen – nicht etwa aus vordergründig parteipolitischen oder gar finanziellen Erwägungen, wie uns böswilliger­weise unterstellt wurde.

Ebenso sehr steht für uns fest, dass wir kein Abstimmungsverhalten setzen wollen, das, entgegen unserer Absicht, etwa gar als Distanzierung von unserem voraussicht­lich neuen Bundesratspräsidenten Peter Mitterer verstanden werden könnte.

Ich begrüße ihn aus diesem Anlass, weil er uns ja schon heute im Hohen Haus die Ehre gegeben hat, und ich sichere ihm unsere volle Unterstützung zu – das gerade


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