Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 58

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tung der eigenen Geschichte ist meinem Empfinden nach noch nicht in ausreichender Form erfolgt.

Das Gesetz, das heute hier beschlossen wird, wird auch nichts daran ändern, dass zwei FPÖ-Bundesräte, ein BZÖ-Bundesrat und zwei keiner der beiden Parteien ange­hörenden Bundesräte nach wie vor eine Fraktion bilden und damit nichts anderes tun, als der ÖVP die Regierungsmehrheit zu sichern, denn einen anderen Grund kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen dafür, dass fünf Menschen, die mindestens drei völlig verschiedenen – auch nach ihrer eigenen Definition – Gruppen angehören, der einen Partei und die anderen wiederum einer anderen, eine Fraktion bilden.

Wenn diese fünf Personen ohnehin eine politische Meinung, eine politische Absicht vertreten, dann könnten sie genauso gut in einer Partei sein; sind sie aber nicht. Daher kann ich mir nicht vorstellen, warum sie das sonst machen – außer, um eine Regie­rungsmehrheit zu sichern und weitere Blamagen in diesem Gremium ihrer Ansicht nach zu verhindern.

Da frage ich mich schon: Wie ist das für die ÖVP? Ist das nicht peinlich? Wie fühlt man sich als ÖVP, wenn eine Regierungsmehrheit an Menschen wie Bundesrat Gudenus hängt? Ist das ein angenehmes Gefühl? – Ich kann mir das nicht vorstellen!

Auch wenn sich einzelne Angehörige der ÖVP sehr wohl von den Meinungen, die von Kampl und Gudenus verbreitet wurden, distanziert haben, schaut die Realität doch noch immer so aus, dass eine Regierungsmehrheit der ÖVP genau durch diese Perso­nen gesichert wird.

Es hat mich sehr gefreut, dass Herr Bundesrat Konecny heute davon gesprochen hat, dass das Verhalten der SPÖ bei der Abstimmung damals, als Gudenus mit der Oppo­sition gestimmt hat, „unangebracht“ war. Da hat Kollege Konecny sehr Recht, und es freut mich, dass er das hier so klar gesagt hat, wobei man da schon auch dazusagen muss, dass das ein Einzelfall war. – Bei der ÖVP hingegen passierte es ständig, dass eine Mehrheit durch Herrn Gudenus gesichert wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Von der ÖVP habe ich jedoch bisher keine Distanzierung dieser Art ver­nommen. Ich finde, eine solche wäre auch von ÖVP-Seite her durchaus angebracht.

Ich glaube nicht, dass durch dieses Gesetz dem Bundesrat – wie einer meiner Vorred­ner gesagt hat – tatsächlich eine Blamage „erspart“ wird. Eine solche Blamage ist schon passiert, und das wird auch weiterhin, wie ich glaube, in der Öffentlichkeit disku­tiert werden.

Das Problem ist also nicht gelöst, sondern es wurde lediglich vertagt, es ist nicht mehr ganz so akut. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass im nächsten halben Jahr die Stimmung eine andere werden wird. Herr Gudenus – ich glaube, Herr Kampl wird nicht mehr sehr viel zu diesen Themen sagen – wird sich da sicherlich nicht zurückhalten. Ich bin ja geradezu schon gespannt darauf, was uns Herr Gudenus noch alles an abstrusen historischen Weltansichten präsentieren wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Teil einer Generation, der die Schrecken und Verbrechen der NS-Zeit aus Erzählungen sowie selbstverständlich auch aus dem Geschichtsunterricht bekannt sind. Meine Eltern sind selbst erst in der Nachkriegszeit geboren; meine Großeltern haben diese Zeit erlebt, haben die eine oder andere Sache erzählt. Aber nichts von dem, was mein Großvater mir erzählt hat, hätte mich dazu gebracht, dass ich quasi jene verteidigen würde, die damals auf der Seite der National­sozialisten gestanden sind.

Ganz im Gegenteil: Aus den Erzählungen meines Großvaters habe ich zumindest das tiefe Gefühl und die tiefe Überzeugung mitbekommen, dass das, was passiert ist, schrecklich war, dass nicht jede einzelne Person in vollem Ausmaß verantwortlich für


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