Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 101

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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

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Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Giefing. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.32.13

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Anhebung der Wertgrenzen von 10 000 € auf 30 000 € im beschleunigten Verfahren ist aus meiner Sicht sehr stark, jedoch richtig. In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass die dafür ausschlaggebenden Gründe haupt­sächlich die Effizienz sind. Ich zitiere in aller Kürze aus den Erläuterungen:

„Zugunsten der Entlastung der Justiz und Beschleunigung des Verfahrens ist es daher zweckmäßig, den Verzicht auf die lückenlose Überprüfung der Übereinstimmung des Exekutionsantrags mit dem Exekutionstitel auch für Forderungen bis zu der für das Mahnverfahren vorgesehenen Höhe in Kauf zu nehmen und die Wertgrenze auf diesen Betrag anzuheben.“

Es ist jedoch für mich nicht nachvollziehbar, worin hiebei die beschäftigungsfördernden Wirkungen liegen. Mir ist beim Lesen nicht klar geworden, wo diese Wirkungen in der Exekutionsordnungs-Novelle versteckt sind. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Stellungnahme auch ausgeführt, dass dieser Passus nicht durchschaubar ist. Ich habe beruflich fast wöchentlich mit solchen Dingen zu tun und möchte Ihnen sagen: Ich kenne in einer kleinen Kommune jene, die nicht zahlen können, und auch jene, die nicht zahlen wollen. Bei jenen, die nicht zahlen können, bin ich eine Mischung aus Karol Wojtyla und Mutter Theresa, bei der anderen Gruppe, den Zahlungsunwilligen, die irgendwelche Steuern, Gebühren oder Abgaben nicht zahlen wollen, bin ich im Grunde genommen das Gegenteil. Aber man soll diese Situation nicht unterschätzen. Man kann sich nicht vorstellen, welches Leid und welche Not manchmal dahinter stecken, wenn Leute nicht zahlen können.

Die Schuldenspirale hat sich in Österreich in den letzten Jahren viel schneller weiter­gedreht, als dies jemals zuvor der Fall war. Wir sollten heute bei diesem Thema auch über Schulden und Verbindlichkeiten von Menschen diskutieren. Wir sollten hinterfra­gen, warum 120 000 Menschen in Österreich hoffnungslos verschuldet sind. Es gibt dafür natürlich verschiedene Gründe, wie etwa Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung, aber vielleicht spielt da in sehr, sehr geringem Maße auch PISA mit hinein.

Die Zahl der verschuldeten Haushalte steigt proportional mit der Arbeitslosenrate. Wenn wir die Arbeitslosigkeit in Österreich und in Europa nicht bekämpfen, dann wird die Verschuldensrate weiter steigen. Die Zahl der Privatkonkurse steigt, und immer mehr Menschen wissen nicht mehr ein und aus. Wir müssen daher die Frage des Exekutionsrechtes mit besonderer Sensibilität diskutieren.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Zahlen aufmerksam machen: 2004 gab es in Österreich 784 404 Forderungsexekutionen und 966 521 Fahrnisexekutio­nen. Gegenüber dem Jahr 2001 war dies eine Steigerung von zirka 20 Prozent.

Wir sollten daher bei dieser Gelegenheit in Erwägung ziehen, nachfolgend auch ein Maßnahmenkonzept gegen die Verschuldung von Haushalten und insbesondere gegen die Verschuldung von Minderjährigen zu erstellen. Sie wissen ja, der Slogan der Banken hat vor langer Zeit geheißen: „Anna, den Kredit hamma!“. Darin liegt vielleicht


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