Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 27

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der Wehrmacht oder der höhergradige Hitlerjunge an der Spitze einer Landesregierung genauso wie der ehemalige Insasse eines Konzentrationslagers.

Diese Besonderheit, miteinander zu können und zu erkennen, dass man die Chance hat, unbesehen seiner eigenen historischen Position dem Land einen Dienst zu erweisen, indem man gemeinsam an der Festigung der Demokratie und der Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit arbeitet, dieses Phänomen zeichnet bis heute die Zusam­menarbeit der politischen Kräfte in Kärnten aus. Daher bitte ich Sie auch um Ver­ständnis, darum, nicht nur einzelne Aussagen zu werten, sondern sie auch im Kontext zu sehen mit der Lebensgeschichte der einzelnen Mandatare, aber auch mit dem bedingungslosen Willen aller politischen Kräfte in unserem Lande, nach Ende des Krieges an einer Festigung der Demokratie und vor allem an der Einheit und gemein­samen Entwicklung dieses Landes zu arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist es eine gute Gelegenheit, dass ich das heute hier sagen darf, denn es hat ja neben diesen historischen Ereignissen in den letzten Jahren viele Dinge gegeben, in denen Kärnten gezeigt hat, dass es die neuen Chancen und Möglichkeiten, die ihm nach 1945 eröffnet wurden, auch wirklich zu nützen verstanden hat. Denken Sie nur daran, dass wir eine gemeinsame Olympia-Bewerbung mit unseren einstigen Gegnern, die im Krieg mit uns in einer fürchterlichen Konfrontation gelegen sind, abgegeben haben, für 2006 die erste grenzüberschreitende Olympia-Bewerbung abgegeben haben – es hat in dieser Form noch nie zuvor eine gemeinsame Kandidatur ver­schiedener Staaten und Regionen gegeben.

Wäre nicht Samaranch kurz vor der endgültigen Abstimmung an die Vertreter der nationalen Olympischen Komitees herangetreten und hätte gesagt: Wenn das Kärntner Beispiel oder die „Senza Confini“-Bewerbung Schule macht, dann wird es in Zukunft keine nationalen Olympischen Komitees mehr geben!, dann hätte wahrscheinlich die Olympia-Bewerbung der drei Regionen den Zuschlag bekommen. Es wäre gerade im Sinne des olympischen Gedankens richtig gewesen, den Frieden auch durch solch sichtbare Zeichen zu festigen, indem Feinde von einst miteinander Friedensspiele austragen, und zwar in grenzüberschreitender Weise. – Das sind einige Hinweise, um auf den Zwischenruf von Kollegen Bieringer ein bisschen eingegangen zu sein, was unsere Geschichte betrifft und dass man uns vielleicht auch dann und wann ein bisschen besser versteht.

Wir als kleines Land waren zum Unterschied von manchem binnen-österreichischen Bundesland oder von manchem westlichen Bundesland auch nicht in der privilegierten Situation, dass wir immer gute Nachbarn hatten. Bis 1989/90 lebten wir an einer 163 Kilometer langen toten Grenze. Das heißt, wir befanden uns mehr oder weniger in einer undurchdringlichen Grenzsituation zu einem kommunistischen Staat, dem Tito-Jugoslawien, was die wirtschaftlichen wie auch die politischen Möglichkeiten des Landes massiv eingeschränkt hatte.

Umso wichtiger ist es jetzt – daher habe ich gesagt, ich möchte ein paar Gedanken zum Thema „Europa der Regionen“ sagen –, dass wir uns am Vorabend unserer Vorsitzführung in der Europäischen Union auch Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen man aus der jetzigen Situation der Europäischen Union ziehen kann und was das für das kleine Österreich mit einer doch sehr starken regionalen und ländermäßigen Gliederung bedeuten kann. Denn wir praktizieren ja – nicht nur in Kärnten, sondern auch unsere steirischen Freunde – in Richtung Süden eine sehr aktive Nachbarschaftspolitik. Es gibt Initiativen gemeinsam mit Friaul-Julisch Venetien, mit dem Veneto, mit Slowenien, Istrien, der Steiermark, so etwas wie eine europäische Regionsbildung zustande zu bringen, mit all den Problemen und Hindernissen, weil wir wissen, dass letztlich ein gemeinsamer Lebensraum innerhalb eines größer gewor-


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