Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 30

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Europas diametral entgegengesetzt ist zu jenen Grundgedanken, die wir bisher in unseren Mitgliedstaaten mit der Idee der Marktwirtschaft, der sozialen Marktwirtschaft im Besonderen, verbunden haben.

Nehmen Sie nur die Europäische Zentralbank her. Die Europäische Zentralbank hat eine einzige Aufgabe, nämlich die Preisstabilität zu beobachten. Das ist zwar im Inter­esse der Kapitalfreiheit als einer der Grundfreiheiten Europas sehr wichtig, das ist aber im Widerspruch zu den Aufträgen, die die soziale Marktwirtschaft in den einzelnen Mitgliedsländern an die Politik erteilt hat. Denn noch immer gilt im Grunde genommen die Verpflichtung, sozusagen das magische Viereck zu beobachten, wo neben der Preisstabilität ein hohes Maß an Beschäftigung sicherzustellen ist, Wirtschaftswachs­tum als Zielsetzung angegeben ist und außenwirtschaftliches Gleichgewicht notwendig ist.

Das heißt, alleine das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und die in den natio­nalen Mitgliedstaaten vorzunehmenden Maßnahmen stehen in einem diametralen Wider­spruch zu den Aufträgen, die Europa in der Wirtschaftspolitik etwa der Euro­päischen Zentralbank erteilt, sodass wir einfach eine Arbeitsteilung haben, die nicht funktionieren kann. Europa hat sich weitgehend die wirtschaftspolitische Kompetenz geholt, Europa ist verantwortlich für die Währungsunion und hat damit den Zugriff auf alle Finanztransaktionen, aber Europa will nicht verantwortlich sein für die Beschäf­tigungspolitik und will nicht verantwortlich sein für die sozialstaatliche Abfederung von Krisen und Lebenssituationen, wo für den Menschen ein Ausgleich gemacht werden soll. Und in dieser Situation befinden wir uns heute: dass hier eine sehr eigenartige Arbeitsteilung vorhanden ist, die eben nicht funktionieren kann. Daher hat sich Europa bisher auch dem Thema Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht wirklich gestellt. Und das irritiert die Bürger, die sich aus diesem Haus zunehmend zurückziehen.

Die Gründer haben seinerzeit die Angst gehabt, Europa könnte auf Grund von politisch-ideologischen Konflikten sehr bald auseinander brechen, etwa auf Grund des Scheiterns der Moskauer Konferenz im Jahre 1947 und der Gründung der Kominform, also der umspannenden kommunistischen Bewegung nach 1947, oder des Prager Put­sches im Jahre 1948 oder der ersten von der Sowjetunion gezündeten Atombombe im Jahre 1949 oder in der Folge durch die Auseinandersetzungen im Rahmen des Kalten Krieges. Mitnichten! Dieses Europa hat im Kernbereich seine Stabilität beobachtet und ist daran nicht zerbrochen, sondern es ist der Herausforderer, die Sowjetunion zerbrochen. Aber heute schaut es so aus, dass Europa an seinen Bürgern zerbricht, wenn es nicht die Türen öffnet und seine Bürger in die Mitentscheidung und Mitge­staltung dieses zukünftigen Europas einbindet.

Dementsprechend hat auch das Eurobarometer vor kurzem ausgewiesen, dass nur mehr 47 Prozent der europäischen Bürger ein positives Bild von der Europäischen Union haben. Das ist also durchaus ein Alarmsignal, wenn man weiß, dass dieses Eurobarometer auch sehr stark von der Kommission mit beeinflusst wird und man also nicht gerade wirklich absichtlich ein sehr negatives Bild zeichnen möchte.

Diese Situation hat natürlich auch in den europäischen Institutionen zu einer gewissen Lethargie, zu Frust, zu Ratlosigkeit geführt, die berechtigt ist, denn wenn man sich das anschaut, dann weiß man, wir haben heute keine gesamte europäische Außenpolitik, die gibt es nicht. Am besten hat sich das am Irakkrieg gezeigt, wo europäische Mitgliedstaaten in verschiedene Richtungen gezogen haben und wo letztlich das jetzt ständige Anpassen, sage ich einmal, an die amerikanische Kriegspolitik im Irak auch dazu führt, dass Europa zunehmend auch zum Objekt von Terror und terroristischer Anschläge werden wird, obwohl es Europa eigentlich in der Hand hätte, durch eine eigene europäische Friedensinitiative im Nahen und Mittleren Osten vielleicht gerade gegenzusteuern und damit auch durch eine vernünftige Außenpolitik Sicherheitspolitik


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