Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 31

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auf dem eigenen Kontinent, in Europa zu machen, um die Bürger dieses Landes nicht zu gefährden.

Europa hat aber auch keine Wirtschaftspolitik, wie ich Ihnen vorher konzipiert habe, denn 20 Millionen Arbeitslose sind kein Erfolgsnachweis. Europa ist unentschlossen, wenn es um die Durchsetzung der Marktwirtschaft geht. Deutsche und Österreicher liberalisieren im Sinne der Aufträge der Europäischen Union. Gleichzeitig pflegt Frank­reich beispielsweise auf dem Energiesektor und in anderen Bereichen, etwa jenem der Telekommunikation, weiterhin einen Etatismus, der staatliche Monopole auch in den nächsten Jahren noch verteidigt und damit Wettbewerbsungleichheit und Verzerrungen in Europa möglich macht.

Europa hat seine innovative Kraft bis heute nicht wirklich eingesetzt, denn das Lissabon-Ziel ist weit von unseren Realisierungen entfernt, und Europa hat auch sein Stabilitätsziel nicht ernst genommen, sonst würden die führenden Staaten Europas wie Frankreich, wie Deutschland, wie Italien dieses Stabilitätsziel nicht massiv ignorieren und nicht erreichen.

Ich glaube daher, dass wir uns schon ein bisschen zum Gründungsgedanken der Euro­päischen Union zurückbewegen sollten, wo am 9. Mai 1950 Außenminister Schuman gesagt hat:

„Im Gegensatz zu einem internationalen Kartell, das nach einer Aufteilung und Aus­beutung der nationalen Märkte durch einschränkende Praktiken und die Aufrecht­erhaltung hoher Profite strebt, wird die geplante Organisation die Verschmelzung der Märkte und die Ausdehnung der Produktion gewährleisten.“

Das heißt, das Ziel Europas war es von Anbeginn an, dass es gelingt, durch Aus­dehnung der Produktion in einem größeren gemeinsamen Markt auch Beschäftigungs­effekte zu erzielen, Arbeitsplätze, Wohlstand durch Arbeit, durch ertragreiches Wirken in der Wirtschaft. Dieses Ziel ist aber in den letzten Jahren massiv vernachlässigt worden. Diese Sicherheit für Europa durch Wohlstandsentwicklung zu schaffen, diese Friedensbasis durch Wohlstand zu schaffen, ist ignoriert worden, obwohl gerade die Gründungsväter darauf hingewiesen haben, welche Katastrophen Europa heimgesucht haben, weil das Ziel der Beschäftigung, der Arbeit, der Wohlstandsentwicklung für Millionen Menschen nicht erreicht worden ist und Diktaturen und Katastrophen, wie wir sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt haben, die Folge gewesen sind. Das sollten wir meines Erachtens ein bisschen ernster nehmen.

Heute haben wir primär ein Profitstreben der internationalen Konzerne und Kartelle, die sich auch der Europäischen Union bemächtigt haben. Denn die 5 000 Lobbyisten, die in Brüssel heute ein- und ausgehen und dort die Gesetze diktieren, stammen nicht von der mittelständischen Wirtschaft, sondern sind primär Vertreter auch jener inter­nationalen Konzerne, für die Europa zwar ein interessanter Markt, aber nicht wirklich ein Anliegen ist.

Daher ist die absolute Kapitalverkehrsfreiheit auch ein Problem geworden. Betrachten Sie etwa die Situation in Deutschland. Deutschland ist ein Land mit einer hohen Spar­rate, hat aber die geringsten Investitionen, die aus dieser Sparrate resultieren, weil das Geld woanders investiert wird und damit auch latente Konflikte unter den Mitglied­staaten entstehen werden.

Ich glaube daher, dass sich Europa auch in diese Richtung neu orientieren wird müssen. Wenn Europa sich neu aufstellt, muss es einen massiven Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und für mehr Beschäftigung geben, mit sehr konzentrierten Mitteln, auf der Grundlage eines Europas der Regionen und eines Europas der souveränen Nationalstaaten, die nicht weiterhin ihrer Kompetenzen und Mitwirkungsmöglichkeiten


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