Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 73

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12.43.47

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Gäste! Wenn man sich diese Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 durchliest, könnte man annehmen, dass bei den Regierungsparteien und bedauerlicherweise auch zum Teil bei der SPÖ tatsächlich die Meinung vorherrscht, dass ungerechtfertigt eingebrachte Asylanträge nicht die Ausnahme in diesem unserem Land, sondern die Regel sind und dass sich überwiegend Ausländer/Ausländerinnen in Österreich aufhalten oder nach Österreich kommen wollen, die potentielle Kriminelle, potentielle Rechtsbrecher sind und nichts anderes im Kopf hätten als Missbrauch der Rechte und Standards in Österreich.

Dieses Fremdenrechtspaket stellt de facto eine weitere Verpolizeilichung des Asyl­wesens und des Asylverfahrens dar. Es gibt viele Punkte, die zu kritisieren sind, die der Rechtstaatlichkeit unserer Republik und den humanitären Grundwerten unserer Gesellschaft widersprechen und daher in aller Schärfe zurückzuweisen und abzu­lehnen sind.

Zunächst einmal geht es um die Abschaffung der Schutzbestimmung für Traumatisierte und Folteropfer. Auch amnesty international hält in ihrer Stellungnahme dazu fest, dass die jetzige Vorlage ein de facto inhaltsleeres Feigenblatt ist. Die Ausweitung der Schubhaft auf AsylwerberInnen in diesem Ausmaß, wie es jetzt vorgesehen ist, Frau Ministerin, ist eine Vorgangsweise, die Haftanstalten als – unter Anführungszeichen – „normale Aufenthaltsorte“ für Flüchtlinge legitimiert. (Beifall bei den Grünen.)

Die gesetzliche Verankerung von Zwangsbehandlung, Zwangsernährung ist einer jener Punkte, die in den Medien häufig thematisiert wurden. Die Möglichkeit der Zwangs­ernährung ist schon im Strafrecht eine grundrechtliche Gratwanderung. Die Anwen­dung dieser Regelung auch bei Menschen, die zur Sicherung eines Verwaltungs­verfahrens angehalten werden, ist grundrechtlich höchst problematisch und daher abzulehnen.

Zur Datenschutzproblematik ist zu sagen: Die Sammlung von umfassenden Daten­materialien in jeglicher Hinsicht widerspricht dem Datenschutzgesetz, der Datenschutz­konvention des Europarates sowie der Datenschutzrichtlinie.

Derartige Kritikpunkte häufen sich in dieser Regierungsvorlage. Einer ist ein sehr pragmatischer, nämlich die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylwerbern. Es ist vorgeschrieben, dass sie sich 20 Tage lang nur im jeweiligen Verwaltungsbezirk aufhalten dürfen. Stellen Sie sich das bitte einmal praktisch vor! Ich bringe dazu ein Beispiel aus Oberösterreich: Wenn jemand in Linz als Asylwerber lebt und in das an den Stadtrand angrenzende Shopping-Center, in die „Blue City“, fährt, dann befindet er sich bereits in Linz-Land. Man benützt dieselbe Buslinie, die auch in Linz unterwegs ist, und ich meine, dass selbst jemand, der aus Oberösterreich stammt, der in Ober­österreich geboren ist, nicht weiß, dass es sich dort bereits um den Bezirk Linz-Land handelt und nicht mehr um den Bezirk Linz. (Bundesrat Mayer: Das ist eine Über­raschung!) – Diese Maßnahme, Frau Ministerin, ist eine Vorgangsweise, die einem Entzug der Bewegungsfreiheit sehr nahe kommt.

Nächstes Beispiel: Verlängerung der Schubhaft von sechs auf zehn Monate.

All das sind Maßnahmen, die gesetzt wurden, um zu verschärfen, um zu polarisieren in unserem Land. Ich frage, auf wessen Kosten? Wenn von Asylmissbrauch die Rede ist, dann ist auch die Frage, welche Politiker/welche Politikerinnen missbrauchen dieses Gesetz, um Stimmung zu machen, um Stimmen zu machen? (Bundesrat Mayer: Der Van der Bellen hat ja auch von Missbrauch ...!) Den es durchaus gibt, aber in dieser Form ist es eine rechtliche Zuwiderhandlung gegen Menschen, die Asyl suchen.

 


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