Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 77

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zenloser Zyniker gewesen sein, denn Sie haben gesagt, mit diesem Asylgesetz werde es „menschlicher“. Das würde wahrscheinlich nicht einmal die Frau Innenminister behaupten. Ich muss also wirklich sagen, da hat Sie ein Zyniker beraten, mit Sicherheit niemand, der es gut gemeint hat.

Wenn Sie die katholisch inspirierten „Salzburger Nachrichten“ lesen, werden Sie mehr­mals feststellen, dass dem in den Medien deutlich Ausdruck verliehen wurde.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben diese Debatte ein bisschen angeheizt und versucht, die SPÖ ins Boot zu bringen, indem Sie gesagt haben: 1 072 Schub­häftlinge pressen sich jährlich durch Hungerstreik frei. Mittlerweile höre ich, dass man überall von dieser Zahl Abstand nimmt, aber es ist schon interessant, wie im Vorfeld eines Gesetzes Stimmung gemacht wird. 1 072 – jetzt werden es vielleicht nicht einmal mehr 500 sein, aber es wurde mit ziemlich starkem Getöse diese Zahl genannt. Woher Sie sie haben, weiß ich nicht, sollten Sie sich historisch gerade mit dieser Zahl befassen, nämlich mit dem Jahr 1072, so könnte man das natürlich auch mit Asyl in Verbindung bringen, weil damals zum Beispiel die Normannen gerade das arabische Palermo erobert haben oder die türkischen Seldschuken Jerusalem. Es hat ein bisschen einen Zusammenhang, es sind damals sicher Menschen geflohen, aber wohin und welche Asylrechte sie hatten, weiß ich nicht.

Diese Zahl, 1 072, ist nämlich so präzise. Es wurde nicht gesagt, zirka 1 000, nein, 1072. Von den 1 072 bleibt irgendwie nicht viel übrig, es werden vielleicht 500 oder sogar ein bisschen weniger sein. Aber gut, diese Zahl ist genannt, und man hat auch Stimmung damit gemacht.

Klar ist: Seit den neunziger Jahren wird das Asylgesetz verschärft, verschärft, ver­schärft – und es drängen immer mehr Asylsuchende nach. Die Behörden und auch die Politik sind jedoch hilflos in dieser Sache.

38 000 Akten hat man Rückstand – und jetzt, ausgerechnet jetzt, verschärft man das Gesetz, obwohl erstmals die Zahl der Asylsuchenden rückläufig ist. Warum muss man das Gesetz jetzt verschärfen, wo doch die Zahl rückläufig ist?

Das Innenministerium sagt, wahrscheinlich Richtung SPÖ: Die Zwangsernährung soll ja nur Potentielle abschrecken; Schubhaft wird weiterhin nur restriktiv verhängt; Traumatisierte kommen überhaupt nicht in Schubhaft! – Und warum macht man das dann?

Man hätte ja einfach eine Novelle machen und sagen können: Wir brauchen 89 Beamte mehr – oder wie viele Beamte mehr?, das war ja im Ausschuss auch nicht ganz klar –, um diese 38 000 Verfahren abzuwickeln. Aber dann bräuchte man ja all diese Dinge mit Zwangsernährung und so weiter nicht. Die Zwangsernährung hat ja einen relativ starken Schleier über alle Verschlechterungen gelegt, die auch erfolgen. Dass Asylwerber nun praktisch sofort hinter Gitter kommen, wenn Italien, Ungarn, Malta oder wer auch immer zuständig ist, ist eine wirklich problematische Sache. Es können dann nämlich Monate vergehen, bis jenes Land, das zuständig ist – Ungarn, Polen, Malta oder Zypern –, die Überstellung durchführt. Im Hintergrund sind also die Verschärfungen – und wenn all das „menschlich“ ist, Frau Wimmler, dann ist das meiner Meinung nach Sarkasmus zum Quadrat.

Das heißt, das Innenressort beschwichtigt in jedem der Punkte und sagt: Wir brauchen das nicht. Das einzige, das wir brauchen, sind Beamte. – In Wirklichkeit beschließen wir jedoch ein Gesetz, hinsichtlich dessen schon Kollegin Lichtenecker gemeint hat, es sei fraglich, ob es juristisch halte. Mit Sicherheit haben da keine NGOs in produktiver Art und Weise mitwirken können.

 


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