Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 153

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Viele Männer waren im Krieg gefallen oder in Kriegsgefangenschaft geraten. Zurück­geblieben in der Stadt sind Frauen, Kinder und ältere Menschen. Wertsachen und Dienstleistungen wurden oft gegen Grundnahrungsmittel eingetauscht. Ziegel schlich­ten für ein Stück Brot – oder eine Taschenuhr des Vaters, vielleicht das letzte Erbstück, gegen Lebensmittelmarken. Was diese Frauen damals geleistet haben, ist für uns kaum nachvollziehbar.

So groß die Sorgen und der Hunger jedoch auch waren, sie gaben nicht auf. Der Wille zum Überleben war stärker als Elend und Not.

Diese Frauen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurden und werden als „Trümmerfrauen“ bezeichnet. Diese Frauen erhielten jedoch bis dato weder Aus­zeichnungen noch Orden.

Jetzt wird von Frau Sozialministerin Haubner gemeinsam mit Herrn Staatssekretär Dolinschek inseriert „Anerkennung für Trümmerfrauen“, für Frauen unserer Wieder­aufbaugeneration, für die eine einmalige Zuwendung in Höhe von 300 € vorgesehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 300 € – jetzt könnte man die Meinung ver­treten, es ist natürlich nur eine symbolische Anerkennung, keine Sache. Nichtsdesto­trotz glaube ich, dass es existenzsichernde Maßnahmen geben hätte müssen. Davon hätte die Wiederaufbaugeneration wesentlich mehr gehabt als jetzt von vagen, aber sehr publicityträchtigen Zusagen – und das speziell im Gedankenjahr.

Schätzungen zufolge gibt es rund 50 000 dieser Trümmerfrauen, die noch am Leben sind. Finanziert wird das Geld, diese 15 Millionen €, die schon angesprochen wurden, aus der Zuwendung des Härteausgleichsfonds des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, aus der Pensionsversicherung und aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen waren heute in der Tagesordnung schon einmal ein sehr großer Schwerpunkt. Angesichts dessen, dass diese Bundesregierung auch die Mindestpension nicht erhöht, sodass der Aus­gleichszulagenrichtsatz unterhalb der Armutsgrenze liegt, finde ich es eigentlich zynisch, wenn genau diesen Pensionistinnen, für die dieses Geld in diesem Fonds zur Verfügung steht, dieses Geld jetzt unter einem anderen Titel ausbezahlt wird.

Herr Staatssekretär, ich kann sagen, dass ich diesen Entwurf gelesen habe, ich habe ihn auch verstanden, und ich gehe davon aus, dass das auch auf Sie zutrifft, aber trotzdem habe ich zu diesem Gesetz noch einige Fragen.

Warum erhalten diese Zuwendungen nur Frauen mit Kindern? – Ich habe versucht, in meinen anfänglichen Erläuterungen darauf hinzuweisen, dass es sich viele Frauen nicht ausgesucht haben, alleine zu bleiben: Ihre Väter und Männer sind zum Teil in Kriegsgefangenschaft gewesen und auch verstorben. Vielen Frauen war es auch aus gesundheitlichen Gründen und auf Grund der schlechten Ernährung gar nicht möglich, Kinder zu bekommen. Aber ist deren Arbeit weniger wichtig und weniger wertvoll für den Wiederaufbau?

Historikerinnen und Historiker haben bereits bewiesen, dass gerade in der Nachkriegs­zeit alleinstehende Frauen vielfach noch stärker diskriminiert wurden als verheiratete Frauen und damals bereits weniger Anteil an den Früchten des Wiederaufbaus hatten. Sollen diese Frauen ein zweites Mal bestraft werden?

Was ist mit den Frauen, die damals österreichische Staatsbürgerinnen waren, beim Aufbau mitgeholfen haben, letztendlich jedoch ausgewandert sind? Was ist mit den Frauen, die sich in der Zeit des Wiederaufbaus in Österreich aufgehalten, beim Aufbau


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