Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 154

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mitgeholfen haben, aber keine österreichischen Staatsbürgerinnen sind? Was ist mit jenen Frauen, die es geschafft haben, nach dem Wiederaufbau einem Beruf nach­zugehen? Warum werden diese Frauen an ihrem heutigen Einkommen gemessen?

Was passiert mit Frauen, die nicht nur ein Kind, sondern mehrere Kinder geboren haben? – Wenn es eine Entschädigung für die Geburt des Kindes sein soll, sind dann nicht alle Kinder gleich viel wert?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfinde das nicht als einen Akt der Menschlichkeit, und ich denke, die Bundesregierung sollte noch einmal darüber nachdenken, wie diese Mittel verteilt werden.

Als ehrlicher Dank für den Wiederaufbau gebührte allen Frauen von damals – egal, mit Kindern oder ohne Kinder, egal, mit welcher Pension, und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – diese Zuwendung.

Daher werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.54


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


17.54.49

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss wird endlich einer Gruppe von Frauen gedacht, denen wir alle zu großem Dank verpflichtet sind und denen unsere Achtung gebührt.

Ich kenne alle Frauen dieses Alters und dieser Betroffenheit in meiner Gemeinde, und sie haben mir in vielen Gesprächen ... (Bundesräte der SPÖ sprechen in den Bank­reihen miteinander.) – Dürfte ich Sie angesichts dieses Themas bitten, etwas ruhiger zu sein? Wäre das möglich, Herr Kollege?

Ich habe mit all diesen betroffenen Frauen in meiner Gemeinde viele Gespräche geführt und kenne deren Lebenslauf. Alleine dafür bin ich diesen Frauen sehr dankbar, denn ich habe viel von ihnen gelernt. – Jede Generation und jede Zeit hat ihre Probleme, aber die Schicksale dieser Frauen haben mich unsere, haben mich meine Probleme relativieren und deren Stellenwert in ein richtiges Licht rücken gelehrt.

Die Lebensumstände dieser Frauen sind für uns heute unvorstellbar: Die Sorge um die Männer – sind sie verletzt, tot, in Gefangenschaft? Werden sie wiederkommen? –, die Sorge, unter den schwierigen Umständen der Lebensmittelknappheit ihre Kinder zu ernähren.

Mir hat zum Beispiel eine Frau erzählt, dass ihr Kind die Muttermilch nicht angenom­men hat und dass sie aus erbettelten Rüben eine Melasse brauen musste, um mit dieser die Muttermilch zu versüßen, damit das Kind überhaupt ernährt werden konnte und die Nahrung aufgenommen hat.

Ich weiß von einer anderen Frau, die in den letzten Kriegstagen auf der Straße von einer Granate getroffen wurde, deren Fuß zerfetzt wurde. Sie wurde auf einen Last­wagen geworfen und weggebracht. Sie hatte ein kleines Kind, um das sich dann irgendwelche Leute angenommen haben. Es gelang erst nach einem halben Jahr einem Geistlichen, sich in die Ortschaft zu ihren Verwandten durchzuschlagen und zu berichten, dass sie noch lebt, dass sie nicht tot ist, in welchem Lazarett sie ist und dass ihr „nur“ – unter Anführungszeichen – ein Bein abgenommen wurde. – Tatsachen, die für uns heute unvorstellbar sind.

 


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