Bundesrat Stenographisches Protokoll 725. Sitzung / Seite 43

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

mutsrisiko als eben Menschen österreichischer oder EU-Herkunft. Für Menschen türki­scher Herkunft zum Beispiel ist das Armutsrisiko 2,5 Mal so hoch wie das der Durch­schnittsbevölkerung.

Dazu kommt noch etwas: Sozialleistungen und Pensionen reduzieren zwar bei der Gesamtbevölkerung das Armutsrisiko im Schnitt um zwei Drittel, Migrantinnen oder auch eingebürgerte Menschen aber erfahren durch Sozialleistungen bei weitem keine so deutliche Reduktion des Armutsrisikos. Im Vergleich zu allen armutsgefährdeten Gruppen ist der Anteil von Sozialleistungen am Haushaltseinkommen für Migrantinnen und Migranten unterdurchschnittlich. – So viel also zur alten und immer wieder be­schworenen Legende von Sozialschmarotzern.

Wenn wir das nächste Mal über Integration reden, sollten wir vielleicht auch diese ex­treme Armutsgefährdung mit bedenken. (Beifall bei den Grünen.)

Ganz allgemein kann man auch aus dem Bericht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Entwicklung der letzten Jahre folgende war: Allein erziehende Personen, kinderreiche Familien, allein stehende ältere Menschen, und da vor allem Frauen, sind besonders armutsgefährdet. Haushalte, in denen Männer Alleinverdiener sind, haben ein Armuts­risiko von 11 Prozent; wenn allerdings Frauen Alleinverdienerinnen sind, ist dieses Ri­siko doppelt so hoch, es liegt bei 20 Prozent. Das sind drastische Zahlen.

Ich möchte mit einem Zitat aus dem Bericht selbst schließen:

„Es ist daher essenziell, Frauen mit Familie ausreichend bezahlte Erwerbstätigkeit und damit verbundene Kinderbetreuung zu ermöglichen, um Familien und Kinder vor Armut zu schützen. Allein Erziehende bedürfen im besonderen Maß flexibler Kinderbetreuung und familienadäquater Arbeitszeit.“

Familienadäquate Arbeitszeit“ finde ich in diesem Zusammenhang besonders wichtig, weil nämlich die Tendenz dahin geht, wirtschaftsadäquate Arbeitszeiten zu forcieren. Es wird nicht beides gehen. Es wird die Wirtschaft nicht die flexiblen Arbeiterinnen und Arbeiter haben können, die sie sich wünscht, und gleichzeitig möglich sein, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Da muss man eben von Seiten der Regierung Maßnahmen setzen, Schwerpunkte setzen, ob man das eine oder das andere will. Man muss sich entscheiden.

Ich lese aus diesem Bericht ... (Bundesrat Ager: Aber Arbeit sollen ...?) Arbeit schon, das ist nicht die Frage. Die Frage ist, ob die Wirtschaft von mir verlangen kann, dass ich für meinen Arbeitsplatz mein Privatleben aufgebe, mir überlege, ob ich Kinder krie­gen möchte oder nicht, ob das mit meinen Arbeitszeiten zusammenpasst. Und, wie immer wieder gerne – nicht mehr so laut, aber doch noch – gesagt wird, dass doch die Frau zu Hause bleiben soll und sich um die Kinder kümmern soll, das wird man nach solchen Zahlen, wenn es um Armutsgefährdung geht, auch nicht mehr guten Gewis­sens verbreiten können.

Ich sehe in diesem Bericht eine klare Aufforderung an die Regierung, Maßnahmen zu setzen. Mein Vorredner hat viele Maßnahmen aufgezählt. Jetzt würde ich nicht be­haupten, dass es in der Vergangenheit keine Maßnahmen gab, aber die Frage ist die, ob Maßnahmen wirken oder nicht – und laut diesem Bericht würde ich behaupten, sie wirken nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. Ich er­teile ihr das Wort.

 


10.50.17

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod predsednik! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite