Bundesrat Stenographisches Protokoll 725. Sitzung / Seite 60

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Wie verhindert man, dass Menschen in diesen sozialen Keller stürzen? – Durch eine Summe von Forderungen, die wir heute längst als Mindestsicherung bezeichnen: ma­terielle Mindestsicherung im Bereich der sozialen Dienstleistungen und Mindestsiche­rung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Thema dazu, das noch immer nicht geklärt ist, betrifft die Sozialhilfeempfänger und die e-Card. Das ist wirklich beschämend! Gerade die sozial Schwächsten, deren Krankheitsrisiko übrigens dreimal größer, dreimal höher als das aller anderen ist, brauchen einen vereinfachten Zugang. Aber was machen wir derzeit? – Das Gegenteil! Vergessen wir eines nicht, wenn wir jetzt sagen, dass wir die Sozialhilfeempfänger von der e-Card ausschließen: Gerade Armut hat einen ständigen Begleiter, und das ist die Scham! Aus Scham gehen dann viele Menschen nicht hin, weil sie extra behandelt werden müssen. Die Stigmatisierung von Sozialhilfeempfän­gern jetzt auch noch im Gesundheitssystem sichtbar zu machen, ist ein Skandal! (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich würde mir wünschen, Herr Staatssekretär – ich nehme einmal an, dass Sie der nächsten Bundesregierung nicht angehören werden, aber vielleicht in Richtung des Hauses ... (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Das ist nicht gerade eine große wahrsagerische Leistung, Herr Staatssekretär, das kann man ... (Bundesrat Mag. Pehm – in Richtung Staatssekretär Dolinschek –: Diese Seite gemeint! – Weitere Zwischenrufe.) Ich sage ja nicht, ob Staatssekretär Finz ihr angehört. Aber beim BZÖ würde ich jetzt einmal vermuten, dass es da nicht so sein wird. Außer die ÖVP gründet zwischen der ÖVP und dem BZÖ eine neue Partei – auch das wäre wahrscheinlich denkbar. (Bundesrat Boden: Hirschmann! – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Dem Kollegen Bieringer kann man es ausrichten – Kollege Bieringer, bitte! (Bundesrat Bieringer: ... bisschen auch am Boden bleiben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, ich bleibe beim Sozialbericht. Ich wollte nur jemandem etwas an die Regierung mitgeben, und da bin ich nachdenklich geworden, Kollege Bieringer, ob ich es dem Richtigen mitgebe. Ich nehme es gerne zurück, wenn es für Sie einen höheren Blut­druck oder eine politische Aufregung bedeutet.

Ich sage es jetzt einfach so, wie es ist: Ich wünsche mir, dass im nächsten Sozialbe­richt das Thema Frauen und Armut extra behandelt wird und dass nicht immer wieder die Frauen irgendwie in einem Absatz dabei sind. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Das gesamte Sozialsystem geht nämlich von einer männlichen Er­werbsbiographie aus, Kollege Himmer: Belohnt wird, wer ohne Auszeiten kontinuierlich im Erwerbsleben steht und wer Vollzeit arbeitet; da gibt es höheres Arbeitslosengeld, höheres Krankengeld, höhere Pension. Bezahlt wird das Ganze eben von denjenigen, die unbezahlte Betreuungsarbeiten leisten, die Auszeiten haben, und das sind die Frauen: Sie bezahlen das!

Dann sehen wir noch – und das kann man heute schon sagen –, dass die Armut unter diesen 460 000 Menschen vorwiegend weiblich ist und dass die Armut hauptsächlich bei den Frauen dramatisch steigt. Es gab 2003 in Österreich bereits 571 000 armutsge­fährdete Frauen; das sind 35 000 Frauen mehr als noch 1999! Wenn wir uns überdies anschauen, wie gefährdet Männer und wie gefährdet Frauen sind, dann möchte ich drei Bereiche hernehmen.

Zunächst ist dies das Erwerbseinkommen: 7 Prozent der erwerbstätigen Männer sind armutsgefährdet, aber bereits 11 Prozent der Frauen. Bei den Sozialleistungsempfän­gern sind 41 Prozent der Männer armutsgefährdet; aber 56 Prozent der Frauen, die Sozialhilfe beziehen, sind armutsgefährdet. Das ist eindeutig die Mehrheit, das ist alar­mierend! Und bei den Pensionen verdoppelt sich der Anteil: 13 Prozent der männlichen


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