BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 66

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einmal ein Mäuschen geboren, obwohl die Bundesregierung lange Zeit Berge kreißen ließ oder Berge im Kreis schickte; obwohl das Erfordernis eines großen sozialpoliti­schen Wurfs längst anerkannt ist, wurden Sie, liebe Frau Bundesminister, wiederum abgeräumt – das wurde schon erwähnt –, wahrscheinlich in erster Linie vom Finanzmi­nister. So werden die Lücken im sozialen Netz, das von einem hohen ÖVP-Funktionär einmal als soziale Hängematte bezeichnet wurde, wieder größer. Beschämend, dass gerade jetzt – gestern war der Tag des Mannes (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Oho!), aber das ist vermutlich nicht der Grund – just die frauenfreundlichen Bestimmungen, die im ersten Entwurf enthalten waren, herausgestrichen worden sind.

Dabei hätte sich gerade die 65. ASVG-Novelle angeboten, einen größeren Entwurf, einen größeren sozialpolitischen Wurf zu landen, denn vor wenigen Wochen jährte sich zum 50. Mal, dass der Bundesrat und am 9. September 1955 der Nationalrat jenes Jahrhundertwerk beschlossen haben, dessen 65. Novelle wir heute behandeln.

Das ASVG war und ist ein sozialpolitisches Jahrhundertwerk, es war und ist der in Paragraphen gegossene Sozialstaat, der die Arbeitnehmer, die sozial Schwachen mit diesem Staat versöhnt hat.

Es wurde anlässlich der Jubiläumsfeiern zu diesem Gesetz auch von einem Staatsver­trag nach innen gesprochen. Diese Gelegenheit des Jubiläums, an ein großes Werk anzuschließen, wurde leider versäumt, um 50 Jahre später einen sozialpolitischen Vor­wärtssprung zu machen. Schade! Aber, Frau Ministerin, vermutlich ist mit der ÖVP unter dieser Führung kein Sozial- oder Wohlfahrtsstaat zu machen oder gar auszu­bauen. Nicht umsonst hat eben der ehemalige Minister Strasser von sozialer Kälte ge­sprochen. Von dieser ÖVP werden Sie als Mehrheitsbeschaffer benutzt – solange es geht, solange es Sie noch gibt. Die ÖVP räumt die sozial Schwachen ab, die Wähler räumen Sie ab.

Die Schwerarbeitsregelung steht an, wurde aber weiterhin auf die lange Bank gescho­ben. Es gibt Ankündigungen, jede Ankündigung wird jedoch von den ÖVP-Granden in der Luft zerrissen. Also wir können vermutlich diese Legislaturperiode wieder abwar­ten, ohne dass Sie eine Lösung zustande bringen.

Ein Bereich, der von meinen Vorrednern nicht angeschnitten wurde, ist die Schwarz­unternehmerbekämpfung. Hier wird ein erster Schritt gesetzt. Obwohl sie bereits in der Koalitionsvereinbarung Klima-Schüssel beinhaltet war, obwohl bereits ein Gesetzent­wurf von Ministerin Lore Hostasch in der Schublade war, hat man damals die Koaliti­onsvereinbarung von Seiten der ÖVP nicht eingehalten. Diesmal schafft man eine Lösung, die nicht für ganz Österreich gilt, sondern nur für das Burgenland. Es ist offen­sichtlich überhaupt jetzt die neue Mode, das Burgenland zum sozialpolitischen Experi­mentierfeld zu machen oder als Probegelände zu missbrauchen. (Bundesrat Tiefnig: Sind Sie dafür oder dagegen?)

Man kann die Politik fortsetzen, bei der man mit Inszenierungen den Anschein erweckt, als wolle man Lösungen, in Wahrheit nicht viel gegen die eigene Klientel anstellt, sich Kosten sparen will, aber so tut, als wolle man wirkliche Lösungen. Auch diese Schwarzunternehmerbekämpfungs-Lösung, bei der der Unternehmer gesetzlich verpflichtet werden soll, jeden Arbeitnehmer schon am ersten Tag anzumelden, bleibt ohne Sanktionen.

Glauben Sie wirklich, Frau Ministerin, dass ein Unternehmer, der bisher die Arbeitneh­mer absichtlich nicht angemeldet hat, in Zukunft, nur weil es jetzt im Gesetz steht, diese anmelden wird, wenn das ohne Sanktionen bleibt? – Nein. Es wird weiter so ge­schehen wie bisher. Wenn er erwischt wird, dann sagt er, dass der Arbeitnehmer erst heute angefangen hat, und die missbräuchlichen Verhältnisse werden eben weiter fort­gesetzt.

 


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