BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 84

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Ich möchte jetzt nicht auf alle Details eingehen, das würde zu weit führen und meine Redezeit überschreiten. Aber zum Beispiel bei der Projektförderung ist ein Projekt dar­unter, bei dem ich mich auch frage: Warum soll das mit einem Einspruch verzögert werden? – Es sind Projekte der Politischen Bildung an Schulen zur Bewusstseins- und Menschenrechtsbildung, welche auch die Lehrerausbildung sowie andere Bildungspro­gramme umfassen können, etwa um künftigen Generationen das Vermächtnis zerstör­ter jüdischer und Roma-Gemeinden zu vermitteln, als auch das Gedenken an Einzel­schicksale aufrechtzuerhalten.

Wenn ich das jetzt Revue passieren lasse, ist doch eine dringende Notwendigkeit ge­geben, dass das Gesetz so bald wie möglich in Kraft tritt. Seitens Kollegin Lueger ist die Begründung vorgelesen worden, warum hier ein Einspruch erhoben wird. Ich möchte grundsätzlich zu diesem Einspruch zwei Anmerkungen machen. Die eine ist: Ich bin sehr verankert in der Montesquieu’schen Gewaltenteilung. Und da gibt es eben die Gesetzgebung und die Vollziehung. Daher finde ich es eigenartig, dass Sie, wenn ein Gesetz seitens des Nationalrates beschlossen worden ist und die Durchführung dann durch die Regierung stattfindet, meinen, es müsse sich jemand anders auch noch an der Durchführung beteiligen. Das verstehe ich nicht.

Dann habe ich mir die Protokolle der entsprechenden Nationalratssitzung durchgele­sen. Es ist schwer, genau herauszufiltern, ob eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, ja oder nein. Und die Rolle des Abgeordneten Wittmann im Verfassungsausschuss war zumindest nicht ganz durchsichtig.

Ein weiterer Grund für einen Einspruch Ihrerseits bezieht sich darauf, dass keine Ver­treter von Ihnen drinnen sind, wobei es dem Herrn Bundeskanzler selbstverständlich noch möglich ist, dass er jemanden von Ihnen ernennt, denn es konnte bisher noch niemand ernannt werden. Aber Sie wissen schon jetzt, dass keiner von Ihnen drinnen sein wird. Okay, ist in Ordnung.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass man, 60 Jahre nachdem das Unrechtsregime, das Gewaltregime, das Terrorregime des Nationalsozialismus glücklicherweise besei­tigt worden ist, doch die Welt so betrachten kann und darf, dass man sagt: Es gibt eben auch andere Diktaturen – von der Staatslehre her gesehen: Rechtsdiktaturen, Linksdiktaturen –, die Scheußlichkeiten großer Zahl vollbracht haben. Diese Betrach­tung ist sicher nach 60 Jahren erlaubt.

Und eines möchte ich ganz offen sagen: Ich möchte nicht im Gulag gewesen sein, ich möchte aber auch nicht in irgendeinem KZ gewesen sein. Ich lehne daher, bitte, mit größter Überzeugung jede Art von Zwangsregime ab! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Und weil ich das ablehne und ein unheimlich großer Anhänger, ein leidenschaftlicher Anhänger der Demokratie bin, möchte ich haben, dass es derartige Gewaltregime, ob die jetzt links oder rechts stehen, nicht gibt. Wie diese argumentieren, ist mir egal, der Mensch jedenfalls steht dort nicht im Mittelpunkt, sondern irgendeine Ideologie. Und wenn eine Ideologie im Mittelpunkt steht, dann ist es für den Einzelmenschen immer sehr gefährlich.

Zum Abschluss: Ich darf nochmals daran erinnern: Wer rasch hilft, hilft doppelt! – Dass Sie jetzt mit Ihrem Einspruch den armen Menschen in Weißrussland oder auch in der Ukraine erklären, dass Sie das hier verzögern, dafür habe ich überhaupt kein Ver­ständnis (Bundesrat Konecny: Sie wissen, dass Sie einen Unsinn sagen!), und ich würde Ihnen doch empfehlen, Ihren Einspruch noch einmal zu überdenken. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Dr. Böhm.)

13.58

 


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