BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 85

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Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konecny. –Bitte.

 


13.58.33

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich wähle eine andere Anrede für Sie: Herr Abgeordneter Steiner. Das haben Sie nicht er­wähnt, Kollege Kühnel. Sie haben geschmunzelt beim „Staatssekretär“, Herr Abgeord­neter Steiner. Also ich gehe auf ein weiteres Element Ihrer Biographie ein. Wir haben Sie in jeder dieser Funktionen geschätzt, und ich möchte mich nicht allem, was Kollege Kühnel gesagt hat, jedenfalls aber dem Dank für Ihre Mitarbeit im Versöhnungsfonds namens meiner Fraktion ganz besonders herzlich anschließen. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es war zweifellos ein wichtiger Schritt, ein Schritt, dem auch die sozialdemokratische Opposition ihren Respekt gezollt hat, dass es für die seiner­zeitigen Zwangsarbeiter – neben anderen Regelungen für andere Opfer des National­sozialismus – spät, aber doch nicht ganz zu spät den Versuch gegeben hat, mit mate­riellen Mitteln einen Teil, einen winzigen Teil jenes Leides, das diese Menschen erfah­ren mussten, nicht wiedergutzumachen, aber wenigstens anzuerkennen, dass es Leid war, das zugefügt wurde, und diesen Menschen eine bescheidene materielle Anerken­nung zugute kommen zu lassen.

Herr Kollege Kühnel hat bei seiner für mich völlig unverständlichen Argumentation hin­sichtlich des Nationalsozialismus und anderer totalitärer Regime meiner Überzeugung nach völlig den Sinn dieser Gesetzgebung verkannt. – Der Versöhnungsfonds hat an die Zwangsarbeiter nicht deshalb Leistungen erbracht, weil das österreichische Parla­ment der Überzeugung ist, dass Zwangsarbeit etwas Schlechtes ist, sondern er hat Leistungen erbracht, weil der Nationalsozialismus Menschen gezwungen hat, auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich Zwangsarbeit zu leisten. Diese Zwangsarbeit hat letztlich zu materiellen Werten, die geschaffen wurden, etwas beigetragen, und auch wenn der Einzelne diese Zwangsarbeit ablehnt, sind wir kollektiv doch auch Emp­fänger dieser Leistung geworden.

Nun ist im Hinblick darauf eine Sühneleistung erbracht worden. Es wurde hiemit nicht zum Ausdruck gebracht, dass wir abstrakt Zwangsarbeit ablehnen, sondern dass wir ganz konkret und individuell in der Schuld jener stehen, die Zwangsarbeit in Österreich abdienen mussten. Im Einzelfall wurden diese Zwangsarbeiter etwa von einer Bauern­familie, einem Gewerbebetrieb oder von Mitmenschen gut behandelt, was im Zuge der Aufarbeitung dieser Fälle in beeindruckender Vielfalt auch zum Ausdruck gekommen ist und was einen retrospektiv nur freuen kann. Nichtsdestoweniger ist die Sühne, die wir kollektiv hier erbringen, aber in vollem Umfang gerechtfertigt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Dass die dafür vorgesehenen Mittel nicht zur Gänze ausgeschöpft wurden, ist ein fast tragisches Zeichen dafür, wie spät diese Geste gesetzt wurde: Der Grund hiefür ist nämlich nicht, dass die Verwaltung des Fonds besonders restriktiv mit Ansuchen um­gegangen wäre – ganz im Gegenteil! –, sondern vielmehr, dass in den nahezu 60 Jah­ren seither zu viele verstorben sind, als dass der volle Betrag in Anspruch genommen werden hätte können. Es ist auch das ein Monitum an uns alle, vor allem die, die älter sind und länger im politischen Entscheidungsprozess stehen, dass diese Geste der Republik spät, wenn auch erfreulicherweise nicht zu spät gesetzt wurde.

Ich halte es auch für richtig, dass diejenigen Mittel, die nicht in Anspruch genommen wurden, unter neuen Rechtsformen und mit naturgemäß etwas veränderten Verwen­dungsbestimmungen, aber doch im Sinne des ursprünglichen Fonds eingesetzt wer­den. Ich habe heute in einer anderen Debatte die Formulierung verwendet: Das, was


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