BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 106

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selbst konnten im gleichen Zeitraum erledigt werden. Unter Berücksichtigung der aus früheren Jahren noch offenen Fälle ergibt sich zu Ende 2004 ein Rückstand von insge­samt 931 unerledigten Rechtssachen.

Was ließe sich institutionell verbessern, um diese extreme Überlastung zu verringern, und zwar zur Sicherung der Qualität der Rechtsprechung, zum Schutze des Höchst­gerichtes und seiner Richter vor Überforderung selbst und nicht zuletzt, um den Be­schwerdeführern früher zu ihrem Recht zu verhelfen? Immer noch gilt ja: Bis dat, qui cito dat – doppelt gibt, wer rasch gibt! Eine noch so richtige, aber zu spät kommende Entscheidung wird von der Lebensrealität überholt.

Was könnte Abhilfe bieten? – Auf der Ebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit geht es nach wie vor um die verfassungspolitische Forderung nach der Einrichtung von Lan­desverwaltungsgerichten. Im Österreich-Konvent war das ein nahezu unbestrittenes Anliegen. Das wäre jederzeit, selbst unter den Anforderungen einer verfassungsän­dernden Mehrheit erreichbar – zumindest mit gutem Willen der politischen Akteure – und ohne unsachliche Junktimierungen damit zu verbinden. Zweifellos liegt es aber auch an der Bereitschaft der Länder zur Schaffung dieser Einrichtungen und an einem fairen Finanzausgleich zwischen ihnen und dem Bund, der sich ja dann auch etwas ersparen würde.

Im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit wäre zweierlei grundsätzlich zu bedenken: Zum einen sollte jene wahrhaft bahnbrechende Bereinigung des österreichischen Ver­fassungsrechtes beschlossen werden, über die ja im Österreich-Konvent Konsens, und zwar parteienübergreifend, erzielt wurde. Oftmals zu Recht – auch heute wieder – wur­den, und zwar vom früheren VfGH-Präsidenten Adamovich sowie vom derzeitigen Prä­sidenten Korinek, legistische Unsitten beanstandet, die wir im Hohen Hause selbst abstellen müssten.

Zum anderen sollte nochmals überdacht werden, ob der Verfassungsgerichtshof hin­künftig im Hinblick auf seinen Anfall eine nicht auf Sessionen beschränkte kontinuier­liche Tätigkeit durch vollbeschäftigte Verfassungsrichter leisten müsste.

So sehr das wünschenswert wäre, müsste uns dabei freilich bewusst sein, dass dann Angehörige bestimmter Berufszweige, insbesondere renommierte Rechtsanwälte, aber auch hoch qualifizierte Richter und Verwaltungsbeamte – wohl auch Universitätspro­fessoren –, gegebenenfalls nicht mehr als Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ge­wonnen werden könnten.

Hiezu wird also noch einiges zu überlegen sein; auch die angesprochene Frage der Entscheidung in Senaten.

Legislative und Exekutive, Wissenschaft wie auch Praxis – und nicht zuletzt die Mitglie­der der Höchstgerichte selbst – sind dazu aufgerufen, Reformkonzepte zu entwickeln und praktikable Vorschläge zu deren rechtspolitischer Umsetzung zu erstatten.

Den höchst professionell erstellten Bereicht nehmen wir Freiheitlichen jedenfalls mit Dank und Anerkennung zur Kenntnis. – Bei diesen kursorischen Hinweisen muss ich es jetzt aus Zeitgründen bewenden lassen.

Erlauben Sie mir aber noch persönliche Schlussbemerkungen. Im Rahmen meiner letz­ten Rede hier im Hohen Hause möchte ich mich heute von Ihnen verabschieden und tief empfundene Dankesworte aussprechen.

Es war mir eine Ehre und ein persönlicher Gewinn, im Hohen Haus in der zweiten Kammer neun Jahre lang Mitglied gewesen zu sein. Gerade in einer Zeit, in der die verfassungspolitische Frage diskutiert wird, ob es des Bundesrates überhaupt bedarf, habe ich diesem gerne angehört und mich stets bewusst zu ihm bekannt. Ich bin von


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