BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 56

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sondern dass – soweit ich das beurteilen kann, erfolgreich – versucht wurde, mit der finnischen Präsidentschaft des zweiten Halbjahres 2006 ein hohes Maß an Überein­stimmung, eine Abstimmung zu finden, weil ja der 30. Juni nicht einfach eine Fall- und Verfallsfrist sein kann, sondern in höchst koordinierter und nicht immer planbarer Art und Weise die Kontinuität des Herangehens an die europäischen Probleme sicher­gestellt sein muss.

Eine Präsidentschaft kann sich nicht aussuchen, was sie macht. Sie steht in einem Kontinuum, sie erfindet die Europäische Union nicht neu. Sie kann in einem gewissen Umfang Akzente setzen, aber mit Sicherheit ist sie vor allem gehalten, jene Themen zu bearbeiten, die liegen geblieben sind. Die Left-overs pflegen in aller Regel EU-Präsidentschaften stark zu prägen. Ich verstehe vollinhaltlich, dass der uns vorgelegte schriftliche Bericht dieses Thema sehr zurückhaltend und sehr diskret angeht, weil naturgemäß eine bevorstehende Präsidentschaft nicht darüber spekulieren kann und soll, welche Themen die amtierende Präsidentschaft nicht fertig stellen wird.

Es ist daher durchaus zunächst einmal eine offene, aber fast schon nicht mehr offene Frage, ob die österreichische Präsidentschaft die Finanzvorschau als ein ganz beson­ders gewichtiges Thema der Europäischen Union wird übernehmen müssen oder ob die britische Präsidentschaft das noch abzuschließen in der Lage sein wird. Die Zeit ist kurz, die bisherigen Anläufe waren nicht erfolgreich. Die Reaktion zahlreicher osteuro­päischer Mitgliedstaaten gerade in diesen Tagen zeigt, dass die neuen Vorschläge der britischen Präsidentschaft, die letztlich auf eine Mittelkürzung für diese Staaten hinauslaufen, wenig Sympathie bei den potentiellen Empfängern finden. Es spricht daher viel dafür, dass diese ganz zentrale Frage zumindest in der österreichischen Präsidentschaft weiterbehandelt werden muss. Ob sie abgeschlossen werden kann, ist etwas, was niemand prognostizieren kann, weil es ja nicht nur von den hoffentlich guten Vorschlägen der Präsidentschaft, sondern auch von der Kompromissbereitschaft der anderen 24 Partner abhängt, ob eine Einigung zustande kommt.

Das zweite Thema – und darauf werden wir im weiteren Verlauf dieser Debatte noch in vertiefter Weise eingehen – ist die zentrale, zu Recht gerade in Österreich immer wieder diskutierte Dienstleistungsrichtlinie. Da bin ich ein bisschen enttäuscht darüber, dass Minister Bartenstein damit beginnt, sozusagen die österreichische Präsident­schaft aus der Pflicht zu nehmen.

Natürlich kann es sein, dass dieses außerordentlich schwierige Thema in der Präsident­schaft Österreichs nicht abschließend gelöst werden kann. Aber ich halte es zumindest für unambitioniert – um ein freundliches Vokabel zu verwenden –, wenn, noch bevor diese Präsidentschaft auch nur begonnen hat, der letztlich zuständige Ressortminister ankündigt, dass wir das in diesen sechs Monaten sicher nicht abschließen werden. Bei dem besonderen Maß an Interesse, das sowohl für den österreichischen Arbeitsmarkt als auch für wesentliche Teil der österreichischen Wirtschaft an diesem Thema besteht, wäre es nicht das Schlechteste, wenn das Vor­sitzland Österreich, aus dieser eigenen Interessenslage heraus, sich dieses Themas vorrangig und schwerpunktmäßig annehmen würde und versuchen würde, Stand­punkte, die wir in diesem Land gemeinsam erarbeiten, dort auch einzubringen.

Wir wissen, dass in diesem halben Jahr Österreich auch rein geographisch durch eine große Zahl von Sitzungen, Tagungen und Entscheidungen medial im Mittelpunkt des politischen Interesses stehen wird. Das ist eine Chance, die es zu nutzen gilt, nicht nur politisch, sondern auch mit dem ganzen Drumherum.

Ich habe kein Problem zuzugeben, dass auch eine EU-Präsidentschaft jene Umweg­rentabilität aufweist, mit der man immer die Subventionen für Festivals und Groß­sportveranstaltungen rechtfertigt – ja, selbstverständlich! –, aber wenn die Kamera


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