BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 63

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Mangelware sind. Im Rahmen der EU-Präsidentschaft liegt es nunmehr an Österreich, Impulse zu setzen, die zu einer positiveren Bewertung der EU führen; zum Beispiel Impulse, um den stockenden Verfassungsprozess wieder ins Laufen zu bringen, was sehr nötig wäre. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Molzbichler.)

Das wäre eine große Herausforderung! Ich weiß schon, dass es Österreich allein nicht gelingen kann, im Handstreich und binnen eines halben Jahres alle Probleme aus dem Weg zu räumen, ich meine allerdings schon, dass die Ziele, die sich Österreich im Rahmen der Präsidentschaft gesteckt hat, nicht so ehrgeizig sind, wie sie es sein könnten oder auch sein sollten.

Einen Seitenhieb muss ich jetzt schon austeilen: Es ist offenbar zumindest ein Neben­ziel, die prestigeträchtige Präsidentschaft im Zuge eines Vorwahlkampfes mit zu ver­markten. Ich denke, dass es nicht reiner Zufall ist, dass die informellen Ministerräte jeweils im Heimatort der Ministerinnen und Minister stattfinden. Kollege Ager hat damit schon Recht, dass Tirol ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist. Genau deshalb wäre es auch sinnvoll, den informellen Rat der Verkehrsminister in Tirol abzuhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Aber dann bitte in einer Autobahnraststätte!) – Das lässt sich organisieren, davon gibt es genug!

Natürlich wird das nicht alles sein. Es ist ja Usus, dass die Präsidentschaft nicht primär zur Umsetzung eigener Ziele verwendet wird, sondern dass sie in erster Linie dafür da ist, damit die den Vorsitz führenden Staaten Anstrengungen unternehmen, die die EU als Gesamtes weiterbringen.

Aus dem Weißbuch zur österreichischen EU-Präsidentschaft konnte ich leider nicht allzu viel Neues erfahren. Im Prinzip handelt es sich hiebei um eine Aufzählung der Themen, die momentan wichtig sind, also eigentlich um das Pflichtprogramm. Es ist schon klar: Dieses Pflichtprogramm ist für sich schon sehr dicht und voll, aber ich würde mir trotzdem mehr eigene Vorstellungen darüber erwarten, welche Schwer­punkte die österreichische Regierung setzen möchte, also zusätzlich zum Pflichtpro­gramm auch eine Kür.

Ja, die EU befindet sich in einer schwierigen Situation. Keine Frage! Es ist nicht wahrscheinlich, dass gerade Österreich den Stein der Weisen findet, der diese Probleme innerhalb kürzester Zeit in Luft auflöst. Wenn man sich jedoch nicht einmal ehrgeizige Ziele setzt, dann bedeutet das, schon vor Beginn aufzugeben. Vielleicht spielt hier auch die Angst der ÖVP vor einem eventuellen und gar nicht so unwahr­scheinlichen Querschuss aus dem FPÖ-Klub eine Rolle.

Welche konkreten Schritte wird Österreich im Zuge seiner Präsidentschaft vorschla­gen, um den bereits erwähnten Verfassungsprozess wieder ins Laufen zu bringen? Was wird Österreich unternehmen, um die EU weniger technokratisch zu gestalten und tatsächlich, wie es immer wieder beschworen wird, den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen? Wird das über Broschüren und Internetauftritte und über die Auftritte der österreichischen Ministerinnen und Minister in ihren Wahlkreisen hinausgehen? Wie wird sich die österreichische Regierung zum Beispiel in der Frage der Dienst­leistungsrichtlinie verhalten? Dieses Thema haben wir hier auch erst vor kurzem dis­kutiert.

Das Weißbuch sagt dazu: Österreich wird besonders darauf achten, dass durch die Richtlinie Sozial- und Lohndumping nicht möglich werden. – Nachzulesen auf Seite 12.

Meine Kollegin Lichtenecker hat zu diesem Thema eine ausführliche Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gestellt, und dessen Haltung zur Dienstleis­tungsrichtlinie ist tatsächlich Besorgnis erregend.

 


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